Mai-Randale in Berlin:Die Aussichten fürs Wochenende: Gewalt

Gereizte Stimmung in Berlin: Neonazis wollen am 1. Mai marschieren, Linksradikale blockieren - der Verfassungsschutz warnt vor Eskalation.

C. von Bullion

Mit Appellen an die Vernunft und der Erwartung, dass sie eher wenig helfen, geht Berlin dem 1. Mai entgegen. In acht deutschen Städten haben Rechtsextremisten für den Tag der Arbeit Umzüge angemeldet. Gegendemonstranten, die von Kirchenleuten, Bundestagsabgeordneten und Autonomen unterstützt werden, wollen sie aufhalten, auch mit Sitzblockaden. Vor allem in Berlin werden Zusammenstöße erwartet.

Mai-Randale in Berlin: Die Nacht der brennenden  Container: Vor einem Jahr prügelten sich zum 1. Mai Polizisten und Linksautonome in Berlin-Kreuzberg.

Die Nacht der brennenden Container: Vor einem Jahr prügelten sich zum 1. Mai Polizisten und Linksautonome in Berlin-Kreuzberg.

(Foto: Foto: ddp)

Die Gewaltbereitschaft in der links- und rechtsextremistischen Szene sei hoch, heißt es beim Berliner Verfassungsschutz. Man gehe davon aus, dass der Tag "krawallträchtig" werde. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) rief am Donnerstag zu Gewaltverzicht auf. "Ich appelliere an alle, die sich an Kundgebungen beteiligen wollen, friedlich zu demonstrieren, Gewalt in jeder Form zu ächten und sich vor und während der Veranstaltungen eindeutig von Gewalttätern zu distanzieren", sagte er. Der berechtigte Protest gegen die Aufzüge von Neonazis und ihre "menschenverachtenden Parolen" dürfe nicht in Randale enden.

Ob die Mahnungen fruchten, wird in Sicherheitskreisen bezweifelt. Zwischen 1500 und 3000 Rechtsextremisten werden am 1. Mai in Berlin erwartet, sie wollen um 12 Uhr im Bezirk Prenzlauer Berg ihren Umzug beginnen. Bis zu 10.000 Demonstranten könnten sich ihnen entgegenstellen, schätzt der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD), der vor strafbaren Sitzblockaden warnt.

Das Bündnis "1. Mai - Nazifrei!", aber auch die als verfassungsfeindlich eingestufte Antifaschistische Linke Berlin hat angekündigt, die Rechten schon von 9 Uhr an am S-Bahnhof Bornholmer Straße abzufangen. Die Polizei, die Berlin mit 6000 Beamten im Einsatz sein soll, muss versuchen, die Demonstrationsroute der Rechten freizuhalten - ohne die Gegendemonstranten außer Hörweite zu verbannen.

Ein kniffliges Unterfangen, zumal die Gegner der Rechten nicht einfach von der Straße geputzt werden können. Neben Kardinal Georg Sterzinsky, dem evangelischen Bischof Markus Dröge und Hertha-Manager Michael Preetz wollen auch Wolfgang Thierse (SPD) und die Linkspolitikerin Petra Pau kommen - und wie im Februar in Dresden den braunen Umzug verhindern.

Dass dies in Dresden gelungen ist, verursacht bis heute Wut in der rechtsextremistischen Szene und könnte die Auseinandersetzungen verschärfen, fürchtet die Chefin des Berliner Verfassungsschutzes, Claudia Schmid. Sie will sich inzwischen nicht mehr öffentlich zum 1. Mai äußern, um die ohnehin gereizte Stimmung nicht weiter anzufachen.

Vor wenigen Tagen warnte sie vor einer Kettenreaktion der Gewalt quer durch Berlin - und vor der Militanz der Rechtsextremisten. Anders als 2009, als die NPD nur ein Häuflein Demonstranten mobilisieren konnte, hätten diesmal "Autonome Nationalisten" bundesweit zur Demo in Berlin aufgerufen. Sie gehören zu den sogenannten freien Kräften, gelten als gewaltbereit und imitieren in Kleidung und Taktik die Autonomen. Bei Demonstrationen sind sie kaum von ihnen zu unterscheiden, oft stehen auch auf Transparenten ähnlich kapitalismuskritische Sprüche. Und nach dem Vorbild linker Demonstranten haben die Rechten kürzlich im Wald geübt, wie das geht: hinsetzen, unterhaken, wegtragen lassen.

Auch am linken Rand der Demonstrierer sind etliche auf Krawall aus. Die Zahl linksextremistischer Straftaten hat sich vervielfacht, die Militanz wächst, man gibt sich entschlossen. Ein Aktivist der Antifaschistischen Aktion ruft im Internetportal Youtube zur "Revolutionären-1.-Mai-Demo" in Kreuzberg auf - vermummt, mit verzerrter Stimme und im Stil einer Videobotschaft von al-Qaida.

Ein Vertreter der gleichen Organisation sitzt dann am Donnerstag im Rathaus von Pankow, neben jungen Herren in weißen Hemden, einer Dame von Verdi und dem Pankower Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD). Sie unterstützen das Bündnis "1. Mai - Nazifrei!", das gewaltfrei protestieren will.

"Es wird von uns keine Eskalation ausgehen", sagt der Sprecher des Bündnisses, Jan Landers. Auf die Frage, wieso er für rechtswidrige Sitzblockaden wirbt, sagt der Bürgermeister: "Ich brauche keine Sitzblockaden, wenn am Samstag 10.000 Menschen auf der Straße spazieren gehen."

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