Magdeburg (dpa/sa) - Auf dem Papier ist das Landesgeld sauber verteilt: Rund 24 Milliarden Euro will Sachsen-Anhalt in diesem und im nächsten Jahr ausgeben. Für mehr Personal an Schulen und Polizisten, für Kommunen und Kinderbetreuung. Auch das lange geforderte Azubiticket als vergünstigte Monatskarte für Lehrlinge soll kommen, und die schon lange ungeliebten Straßenausbaubeiträge für Anwohner abgeschafft werden. Dafür sollen die Rücklagen für schlechte Zeiten fast komplett geleert werden.
Am Freitag soll der Landtag das Doppelbudget endlich beschließen - mit drei Monaten Verspätung. Wie lange er hält, ist offen. Entscheidend sei, dass Sachsen-Anhalt schnell aus der derzeitigen vorläufigen Haushaltsführung herauskomme und voll handlungsfähig werde, sagte Finanzminister Michael Richter. Tatsächlich hat Sachsen-Anhalt derzeit keinen gültigen Haushalt. Regierung und Verwaltung können nur Pflichtaufgaben und laufende Kosten finanzieren. Das ändert sich erst, wenn der Doppelhaushalt einige Tage nach der Verabschiedung auch tatsächlich in Kraft tritt.
Die Vorbereitung der entscheidenden Landtagssitzung habe vor allem die Verwaltung vor große Probleme gestellt, sagte der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Olaf Meister, der Deutschen Presse-Agentur. „Der Haushalt musste jetzt auf die Zielgrade kommen und das ist uns gerade noch gelungen“, sagte der Grünen-Politiker. Und es war knapp: Am Mittwoch klärten die Parlamentarier die letzten offenen Posten - nur einen Tag, bevor Parlamentspräsidentin Gabriele Brakebusch die Arbeit des Parlaments wegen der den Landtag auf Corona-Modus umstellte und die Arbeit der Ausschüsse weitestgehend auf Eis legte.
Dieser Krisenmodus wird bei der Sitzung am Freitag besonders sichtbar sein: Obwohl der Haushalt die Königsdisziplin eines jeden Parlaments ist, werden die Reihen im Landtag am Freitag gelichtet sein - und zwar mit voller Absicht. Es gilt Corona-Sicherheitsabstand: Zwei Meter plus X, wie Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) es jüngst formulierte. Deswegen bleibt jeder zweite Abgeordnetensitz leer, gut ein Viertel der Abgeordneten muss auf der Besuchertribüne am Rand sitzen statt auf den angestammten Plätzen. Statt langer Reden wird es ein kurzes Verfahren: Die Wortbeiträge werden still zu Protokoll gegeben, dann wird abgestimmt.
Das stößt in der Opposition auf Kritik: „Dass wir gar nicht reden dürfen, das finden wir mehr als kritikwürdig“, sagte Linken-Haushaltssprecherin Kristin Heiß am Donnerstag. Damit mache man die Opposition mundtot. „Man regiert jetzt durch.“ Andere Länder, etwa Bayern, hätten einen Weg gefunden, trotz Corona-Schutzmaßnahmen Landtagssitzungen mit Reden abzuhalten. Der Münchener Landtag hatte am Donnerstag mit stark verkleinerter Besetzung getagt und debattiert.
Die Leerstellen, die durch die Corona-Vorsichtsmaßnahmen im Landtag sichtbar werden, stehen sinnbildlich für die Leerstellen im Haushalt. Die negativen Folgen der weltweiten Pandemie werden auch Sachsen-Anhalt Geld kosten. Steuereinnahmen könnten deutlich sinken, die Ausgaben durch Hilfspakete deutlich steigen. Beziffern will das bisher niemand. „In der Haushaltspolitik gibt es ein „vor Corona“ und „nach Corona“. Wichtig ist, dass wir in Sachsen-Anhalt jetzt einen Haushalt beschließen, sagte Haseloff der „Mitteldeutschen Zeitung“.
Im „Vor Corona“-Haushalt sind nur vier Millionen Euro für dieses und nächstes Jahr eingestellt, die einen direkten Bezug zur Krise haben: Das Innenministerium will damit in Größenordnungen Schutzausrüstung für Polizei, Feuerwehr und Katastrophenschützer ordern. Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) hatte diese Summe vor eineinhalb Wochen noch durchgesetzt, kurz bevor die allerletzten Verhandlungen zum Doppelhaushalt im Parlament starteten.
Die Linke forderte am Donnerstag einen Sozialfonds in Höhe von 500 Millionen Euro aufzulegen, um Menschen, die durch die Schutzmaßnahmen in Notlage geraten sind, zu helfen. Das Geld will die Partei zum Teil von Menschen mit einem Privatvermögen von mehr als 3 Millionen Euro einziehen.
„Wir alle wissen, dass die Herausforderungen der Coronakrise noch viel größer sind, als es der Haushalt abbildet“, räumte Grünen-Politiker Meister ein. Doch wie viel Geld es Sachsen-Anhalt wirklich kosten wird, das Coronavirus zurückzudrängen und die negativen Folgen abzumildern? Das jetzt zu sagen, wäre Kaffeesatzleserei, sagte Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD).
Er arbeitet mit seinem Haus gerade an einem Programm, das die Geldklemme vieler kleiner und mittlerer Unternehmen lockern soll, die von den Corona-Maßnahmen betroffen sind. Es gehe darum, über die Investitionsbank langfristige Überbrückungsdarlehen bereitzustellen, sagte Willingmann dem Sender MDR Sachsen-Anhalt.
Geplant sei, dass für diese Darlehen fünf bis acht Jahre lang weder Zinsen noch Rückzahlungen fällig werden. „Auch das kann helfen“, sagte Willingmann. Wie viel zusätzliches Geld er dafür aus der Landeskasse braucht, ließ er offen. Seine Pläne will er kommende Woche mit seinen Ministerkollegen besprechen. Finanzminister Richter kündigte am Donnerstag ein umfassendes Hilfspaket für die Wirtschaft an. Es soll kommende Woche vorgestellt werden. Die Landesregierung wolle abwarten, welche Hilfen die Bundesregierung am Mittwoch beschließe. Doppelte Programme sollen so vermieden werden, sagte Richter. „Wir werden helfen, am Geld wird es nicht scheitern.“
Viel Luft bietet der aktuelle Haushaltsentwurf nicht. Sollten größere Ausgaben nötig sein, müsste der Landtag wohl bald wieder über das Budget entscheiden - mit einem Nachtragshaushalt.