Süddeutsche Zeitung

Klimakonferenz in Madrid:"Diese Bewegung ist zu stark, um sich frustrieren zu lassen"

Die Klimabewegung wird sich verändern, sagt Olaf Bandt, Chef der Umweltorganisation BUND. Aber dass sie erlahmt, kann er sich nicht vorstellen.

Interview von Michael Bauchmüller, Madrid

Bei der Klimakonferenz in Madrid beginnt an diesem Dienstag die heiße Phase. Dann übernehmen die Ministerinnen und Minister die Verhandlungen, ab sofort wird es politisch. Für Olaf Bandt, 60, seit Kurzem Chef der Umweltorganisation BUND, schlägt damit auch die Stunde Europas. Die EU müsse nun den Druck erhöhen und mit höheren Klimazielen vorangehen. "Europa kann das, mehr als jeder andere Kontinent", sagt er. Der Druck auf die Regierungen werde nicht abreißen.

SZ: Herr Bandt, an diesem Dienstag beginnen die Minister-Verhandlungen in Madrid. Was würden Sie den Verhandlungsführern auf den Weg geben?

Olaf Bandt: Wir brauchen mehr Entschlossenheit, mehr Anstrengungen für den Klimaschutz. Da sind vor allem die Minister der EU gefragt. Dass Europa jetzt einen Green Deal eingehen will, ist ja schön und gut. Aber der Kontinent muss auch als die Region vorangehen, die mit dem Umbau der Wirtschaft in Richtung Dekarbonisierung wirklich ernst macht. Die zeigt, dass das ein Wettbewerbsvorteil ist. Europa kann das, mehr als jeder andere Kontinent. Aber dafür müsste auch Europa sein Klimaziel bis 2030 aufstocken. Bisher will die EU 40 Prozent weniger Emissionen als 1990. Unverzichtbar wäre aber ein Ziel jenseits der 65 Prozent.

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Sie glauben noch an Ziele? Häufig werden sie ja aufgestockt, ohne dass danach viel passiert.

Leider nicht nur in der Klimapolitik. Natürlich braucht es dann auch eine Politik, die diese Ziele verfolgt: ein schneller Kohleausstieg, auch in Ländern wie Polen. Eine andere Mobilität, auch mit anderen Antrieben. Wir haben alle Technologien. Wenn dabei allerdings immer nur so wenig herauskommt wie beim deutschen Klimapaket, wird das nicht gelingen. Es reicht nicht, wie die Bundesregierung immer nur schön über Klimaschutz zu reden. Es geht ums Handeln und um konkrete Maßnahmen.

In Madrid sind stattdessen nun globale Kohlenstoffmärkte das große Thema.

Ich würde eher sagen: ein großer Verschiebebahnhof. Da können sich die Industriestaaten echten Klimaschutz sparen, indem sie ihn in Ländern des globalen Südens betreiben. Das heißt letztlich, dass die Emissionsminderungen aus dem reichen Norden in den armen Süden verschoben werden, und das zu ökologisch und sozial, auch menschenrechtlich sehr fragwürdigen Bedingungen. Das hat mit der historischen Verpflichtung der Industrieländer nichts mehr gemein, im Gegenteil: Wir steuern da in einen Klimakolonialismus.

Die globalen Emissionen sind zuletzt wieder gestiegen, trotz 25 Klimakonferenzen. Macht dieser Zirkus überhaupt noch Sinn?

Das ist frustrierend, ganz klar. Aber wir haben keine Alternative. Es braucht eine internationale Abstimmung, es braucht internationale Regeln. Und gleichzeitig bin ich auch optimistisch, weil eben diese ganzen Prozesse auch in dieses Jahr 2019 geführt haben, mit einer Wirtschaft, die sich oft schneller bewegt als die Politik. Und mit einer Jugend, die sich das alles nicht mehr gefallen lässt.

Aber wird deren Engagement nicht irgendwann erlahmen, wenn die Dinge sich weiter so zäh bewegen?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das erlahmt. Die Fortschritte sind frustrierend klein, aber diese Bewegung ist zu stark, um sich frustrieren zu lassen. Sie wird sich verändern. Manche werden sich radikalisieren, andere werden sich da engagieren, wo sich Klimapolitik umsetzen lässt, etwa in den Kommunen. Da sind auch Volksbegehren, Klagen, alle möglichen Formen von Protest denkbar. Und wir brauchen neue Allianzen, zwischen Umweltverbänden einerseits und Gewerkschaften, Sozialverbänden, Mieterbund, Landwirten andererseits. Wenn wir verhindern, dass Ökologie und Soziales gegeneinander ausgespielt werden, können wir eine Menge bewegen für eine sozial-ökologische Transformation. Auch jenseits der Klimakonferenzen.

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