Regierungsumbildung in Frankreich:Macrons goldene Zeit ist vorbei

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Emmanuel Macron vor dem Pariser Élysée-Palast (Foto: AFP)

Innenpolitisch hat sich der Präsident isoliert, die Franzosen glauben nicht mehr an ihn. Für Europa muss das keine schlechte Nachricht sein.

Kommentar von Nadia Pantel, Paris

Besonders mächtige Menschen erkennt man daran, dass sie mächtige Menschen warten lassen. Emmanuel Macron hat aus seiner chronischen Verspätung ein Markenzeichen gemacht. Zu den Männern und Frauen, die sich vor laufenden Kameras seinetwegen die Beine in den Bauch standen, gehören Spaniens Ministerpräsident, Frankreichs Fußballnationaltrainer und die deutsche Bundeskanzlerin. In den vergangenen zwei Wochen hat Frankreichs Präsident die Technik des späten Auftritts zur Meisterschaft gebracht. 14 Tage. Noch nie hat das Land so lange auf eine angekündigte Kabinettsumbildung warten müssen.

Nun sind die neuen Minister endlich vorgestellt, und das Überraschendste an diesem neuen Kabinett ist, wie wenig überraschend es ist. Macron holt seine engen Verbündeten Christophe Castaner (Innenminister) und Gabriel Attal (Staatssekretär) in die Regierung. Wäre diese Nachricht direkt nach dem Rücktritt des ehemaligen Innenministers Gérard Collomb gekommen, hätte sie weniger enttäuscht. In der Krise vertraut man eben den Vertrauten.

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Der Chef der Regierungspartei La République en Marche bekommt damit eine Schlüsselposition im Kabinett. Auch in anderen Ressorts gibt es Veränderungen.

Doch nach zweiwöchiger Suche ist nun klar: Macron hat niemand anderen gefunden. Seine Regierung entfernt sich in der neuen Besetzung noch weiter von ihrem Versprechen, linke und rechte Positionen zu versöhnen. Macrons Anwerbeversuche bei den Sozialisten sind gescheitert, dort glaubt niemand mehr daran, dass der Präsident den Kampf gegen Armut und Elend ernst meint. Die Regierung nennt sich neu, einen Neuanfang verkörpert sie nicht. Sie belegt viel eher, was sich seit dem Sommer abzeichnet: Macrons goldene Zeit ist vorbei.

Doch auch wenn Macron sich selbst gern als letztes Bollwerk gegen den Nationalismus inszeniert: Sein Straucheln ist keine dramatische Nachricht. So wenig wie Macron der Heilsbringer Europas war, bringt seine jetzige Krise das Ende des europäischen Zusammenhalts.

Macron zeigte, dass man Bürger mit Optimismus überzeugen kann

Als die Franzosen den Blitzkarrieristen Macron zu ihrem Präsidenten wählten, atmeten all diejenigen auf, die von Brexit und Trump erschüttert waren. Macrons Wahlsieg errichtete einen Damm gegen die Welle politischer Zerstörungslust. Er zeigte, dass man Bürger mit Optimismus überzeugen kann.

In einer Welt, in der die politischen Extreme immer mehr Raum einnehmen, drehte Macron das allgemeine Geschrei zurück auf Zimmerlautstärke. Allerdings wäre es ein Triumph der Wutpolitiker, würde man ihre wilden Forderungen zum neuen Maßstab erklären. Nur weil Macron darauf verzichtet, gegen die EU und gegen Ausländer zu pesten, macht ihn das nicht zum Vorzeige-Demokraten.

Misst man Macrons Politikstil auf einem Populismus-Barometer, bei dem Trump den Höchstwert festlegt, landet Frankreichs Präsident im mittleren Bereich. Zwar macht er weder haltlose Versprechen, noch versucht er die Franzosen zusammenzuhalten, indem er alle anderen dämonisiert. Doch auch bei ihm äußert sich sein Wunsch nach Volksnähe häufig in Häme gegenüber der Presse und in Ungeduld mit den demokratischen Institutionen.

Die Macronisten sehen sich eher als Manager des Landes, nicht als Politiker. Schnelle Entscheidungen sind ihnen wichtiger als lebendige Debatten. Macron glänzt dann, wenn er für seine Ideen begeistern will, für die Vorstellungen anderer bleibt er meist taub.

Premierminister Philippe, loyal und eifrig wie eine Ameise

Der Niedergang des Glückskinds begann mitten im Freudentaumel. Frankreich war gerade Fußballweltmeister geworden, und die Presseagenturen verbreiteten ein Foto des jungen Präsidenten in Siegerpose. Eine Ikone des Erfolgs, die niemand stoppen kann. Schaute man in dieser Zeit zu den Regierungsprügeleien nach Berlin, hatte Macron es im Vergleich so gemütlich wie ein Busfahrer auf Kaffeefahrt. Alles ruhig, bis in die letzte Reihe.

Ein Jahr lang trieb der junge Präsident Reform nach Reform durchs Parlament. Die Streiks der Gewerkschaften behinderten seinen wirtschaftsliberalen Kurs nicht, sie stärkten sein Image als durchsetzungsfähiger Macher. Präsidenten vor ihm hatten mit Premierministern gerungen, denen die eigene Agenda wichtiger war als die Pläne des Élysée - Édouard Philippe arbeitete Macron so loyal und eifrig zu wie eine Ameise ihrer Königin.

Doch in dieser störungsfreien Phase, ohne einen klaren Gegner wie Marine Le Pen, fingen Macron und sein Team an, Fehler zu machen. Hinter jedem Vorwurf wittern sie nun Missgunst und Neid. Sie sind blind geworden für eigene Fehler.

Die Isolation, in die Macron sich innenpolitisch manövriert hat, ist somit kein Symptom der europäischen Krise. Sie ist eine Warnung, dass sich Demokratien nicht autoritär herumschubsen lassen. Nur weil Macron als Präsident das Fingerspitzengefühl abhanden gekommen ist, bedeutet das nicht, dass seine Wähler grundlegend ihre Meinung geändert haben. Sie haben für ihn gestimmt, weil sie an ein liberales, offenes Frankreich glauben. Diese Werte können unabhängig von Macron mehrheitsfähig bleiben.

© SZ vom 17.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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