Frankreich:Wer, wenn nicht Macron?

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Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte begrüßen Waldimir Putin (rechts) am Montagabend in Südfrankreich. (Foto: Gerard Julien/AFP)
  • Wenige Tage vor dem G-7-Gipfel, an dem Russland nicht teilnimmt, empfängt Frankreichs Präsident Macron Russlands Präsident Putin in seiner Sommerresidenz.
  • Das Treffen zeigt, dass Frankreich seine internationalen Beziehungen nicht ohne Russland gestalten möchte.
  • Macron will mit Putin über die Krisen in Syrien, Iran und der Ukraine sowie über europäische Verteidigungspolitik und den Klimawandel sprechen.

Von Nadia Pantel, Paris

Je kürzer ein Treffen ist, desto wichtiger werden die Details. Um kurz nach 17 Uhr am Montagabend kommt Russlands Präsident Wladimir Putin in Fort Brégançon, der Sommerresidenz des französischen Präsidenten an. Um Mitternacht will er schon wieder zurück in Moskau sein. Ein Blitzbesuch - doch er beginnt mit Blumen und einem Lächeln. Putin überreicht einen großen Strauß an Brigitte Macron, Ehefrau von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. In der Pressekonferenz, die dem Treffen vorausgeht, zeigt der Kremlchef sich sehr zufrieden, als Macron darüber spricht, dass "Russland ein Teil Europas" ist.

Das Arbeitsessen, zu dem Macron seinen russischen Amtskollegen eingeladen hat, erfolgt zu einem symbolträchtigen Datum: Am Wochenende beginnt in Biarritz der G-7-Gipfel. Seit der russischen Annexion der Krim nimmt Russland nicht mehr an den Treffen teil, das Format schrumpfte von G 8 auf G 7. Indem Putin sich nun fünf Tage vor Gipfelbeginn mit dem Gastgeber austauscht, zeigt Frankreich, dass es seine internationalen Beziehungen nicht ohne Russland gestalten möchte.

Russland sei "ein notwendiger Partner" und "großer Nachbar", mit dem Frankreich in einem "offenen, fordernden und respektvollen Dialog" stehe, heißt es aus dem Élysée-Palast. Und Macron betonte am Montag, dass weltweit der "Multilateralismus angegriffen" werde und daher "neue Formen der Zusammenarbeit erfunden" werden müssten - gemeinsam mit Russland. Die Beziehung Russlands zu Frankreich und zur Europäischen Union sei entscheidend dafür, dass neue Wege gefunden würden.

Macron will Russland Stimmrecht im Europarat zurückgeben

Die beiden Präsidenten gaben vor ihrem Arbeitstreffen ein Statement ab, sie äußerten sich also über Pläne, nicht über Ergebnisse. Macron sagte, dass er sich mit Putin über die Krisen in Syrien, Iran und der Ukraine austauschen werde, aber auch über europäische Verteidigungspolitik und den Klimawandel. Russland unterstützt in Syrien mit Luftangriffen das Regime von Baschar al-Assad, Frankreich hingegen hat sich an einem US-Angriff auf eine angebliche Chemiewaffenproduktionsstätte von Assad beteiligt. Dennoch, so ein hoher französischer Diplomat, hätten Moskau und Paris ein gemeinsames Ziel: "Sicherheit und Stabilität in Syrien".

Den Konflikt in der Ukraine betreffend sagte Macron, dass er plane, "in den kommenden Wochen" Putin zu einem Gipfel im Normandie-Format zu treffen, also gemeinsam mit Deutschland und der Ukraine. Durch die Wahl Wolodimir Selenskijs zum Präsidenten der Ukraine haben sich neue Möglichkeiten ergeben. Putin sagte, es bestünde für die Entwicklung der Krise im Osten der Ukraine "Anlass zur Hoffnung".

Auf die Frage einer Journalistin hin, inwiefern er gedenke, den antiliberalen Tendenzen in Russland entgegenzutreten, betonte Macron die gemeinsame Vergangenheit Russlands und Frankreichs, beide Länder seien Akteure der Aufklärung. Zudem verteidigte Macron sein Zugehen auf Russland. "Was würde denn passieren, wenn wir einander den Rücken zukehren würden? Wäre das unser Interesse? Ich bin überzeugt davon, dass das nicht der Fall ist." Bräche der Dialog mit Putin ab, würde man Russland isolieren, und die bilateralen Beziehungen Russlands zu China würden in der Folge gestärkt. Macron betont erneut, dass Frankreich sich dafür einsetzt, Russland sein Stimmrecht im Europarat zurück zu geben. "Russland hat seinen Platz im Europa der Werte, das wir verteidigen", sagte Macron.

Macron liebt die wuchtigen Auftritte mit mächtigen Männern

Wie zahlreich dennoch die Konfliktfelder zwischen Paris und Moskau sind, wurde unter anderem deutlich, als das Gespräch auf die aktuellen Proteste in Moskau kam und die vielen Verhaftungen von regierungskritischen Demonstranten. Putin sagte, dass er eben Szenen vermeiden wolle, wie es sie in Frankreich während der sogenannten Gelbwestenbewegung gegeben habe, die französische Polizei habe viele Menschen schwer verletzt.

Der staatliche russische Sender Russia Today unterhält einen französischen Kanal, auf dem er ausführlich über die Proteste der Gelbwesten berichtet hat. In den Berichten muten die Gelbwesten wie eine Bewegung an, die sich gegen ein Regime durchsetzen muss. Macron hat Russia Today 2017 im Beisein von Putin als "Propagandainstrument" bezeichnet. Dieser Vorwurf bezog sich auch auf die Art und Weise, wie Russia Today und das russische Nachrichtenportal Sputnik versucht hatten, Macrons Wahlkampf zu beeinflussen.

Bei dem Treffen mit Putin geht es für Macron nicht nur um das Verhältnis zu Russland, sondern um die Rolle Frankreichs in der Weltpolitik. Macron verfolgt eine offensive Außenpolitik, in der Frankreich als internationaler Vermittler auftritt. "Wer, wenn nicht der Präsident der Republik", so heißt es aus dem Élysée, könne heute noch den Dialog mit Russland pflegen? Wuchtige Auftritte mit mächtigen Männern gehören zu Macrons politischen Instrumenten. So bemühte sich der französische Präsident auch demonstrativ um eine Freundschaft zu US-Präsident Donald Trump, die helfen sollte, politische Differenzen zu überbrücken.

© SZ vom 20.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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