Süddeutsche Zeitung

Explosion in Beirut:Macron hat einen Reformplan für Libanon

Der französische Präsident will dem Land nach der verheerenden Explosion wieder auf die Beine helfen und plant nichts weniger als einen Neuaufbau des politischen Systems.

Von Moritz Baumstieger

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat einen Reformplan entworfen, der Libanon nach der Explosionskatastrophe vom 4. August Hilfen für den Wiederaufbau und den Umbau des politischen Systems ermöglichen soll. Dies erfuhr die Süddeutsche Zeitung aus libanesischen Diplomatenkreisen. Derzeit zirkulieren zwei "Roadmap" genannte Seiten unter Spitzenpolitikern in Beirut. Bei einer für kommende Woche geplanten zweiten Reise nach Beirut will Macron seine Gesprächspartner zu konkreten Schritte verpflichten.

Macron war der erste ausländische Spitzenpolitiker, der nach der Explosion von 2750 Tonnen Ammoniumnitrat das Land besuchte. Mit seinem harten Auftreten gegenüber Libanons Staatsspitze setzte er den Ton, den die meisten nach ihm ins Land reisenden Politiker aufnahmen: Notunterstützung für die Opfer der Explosion, die 180 Menschen tötete, 6000 verletzte und fast 300 000 obdachlos machte, sollte es ohne Bedingungen geben. Langfristige Hilfe für das ohnehin unter einer Finanz- und Wirtschaftskrise leidende Land aber nur bei tief greifenden Reformen.

Der Plan der früheren Kolonialmacht gliedere sich in zwei Stufen, so ein libanesischer Diplomat: Zunächst solle eine Übergangsregierung begrenzte, aber klar umrissene ökonomische Reformen anschieben. Dazu sollen verschärfte Maßnahmen im Kampf gegen die Korruption gehören sowie eine Überprüfung der Zentralbank, bei der es unter dem seit 1993 amtierenden Chef zuletzt zu größeren Unregelmäßigkeiten kam. Französische Experten stünden bereit, um zu helfen, wie auch beim Wiederaufbau des Hafens und bei einer Stärkung des Gesundheitssystems, auch in Hinblick auf die steigenden Coronazahlen. Zudem soll die Energieversorgung reformiert werden, die immense Mittel verschlingt, Strom aber nur stundenweise liefert.

Eine Übergangsregierung mit der nötigen Durchsetzungskraft, um diese Sofortmaßnahmen durchzuführen, muss jedoch noch gefunden werden. Derzeit führt das zurückgetretene Kabinett von Premier Hassan Diab seine Ämter geschäftsführend weiter. In einem zweiten Reformschritt will Macron dann nichts weniger als einen Neuaufbau des politischen Systems durch eine Reform des Wahlrechts erreichen. Bisher gründet die Republik Libanon auf einem Proporzsystem, das 17 anerkannten Religionsgruppen Teilhabe sichern sollte, mittlerweile aber als Wurzel von Korruption und Misswirtschaft gilt.

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SZ vom 28.08.2020 / Mob
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