Süddeutsche Zeitung

Macron:Hoffen auf den Macron-Effekt

Deutsche Politiker wetteifern um die Gunst des neuen französischen Präsidenten und wollen von seiner Beliebtheit profitieren. Aber wer steht ihm politisch am nächsten?

Von Nico Fried

So wie ein Kind ein neues Schmusetier wochenlang überall hin mitnimmt, so führt auch Angela Merkel seit ein paar Wochen den Namen des neuen französischen Präsidenten im Mund.

Die Kanzlerin lobt den "grandiosen Wahlkampf gegen Populismus", den Emmanuel Macron geführt habe. Sie spricht von den Chancen eines Europas mit Macron, die Globalisierung zu gestalten. Sie sagt nach dem Ausstieg der USA aus dem Pariser Abkommen, dass sie sich über die Klimafrage mit Macron am Telefon abgestimmt habe. Und sie berichtet dem ukrainischen Präsidenten, dass Macron bereit sei, auch den Minsker Prozess fortzuführen. Macron hier, Macron da, Macron überall.

Doch die Konkurrenz schläft nicht. Der sozialdemokratische Außenminister Sigmar Gabriel ließ es sich nicht nehmen, Macron bei dessen Antrittsbesuch in Berlin persönlich und fototauglich vom Flugzeug abzuholen. Schon nach Macrons Wahl hatte Gabriel keine Kamera ausgelassen, um zu berichten, wie gut er Macron kenne und wie eng er mit dem damaligen Berater von Präsident François Hollande als Wirtschaftsminister kooperiert habe.

Auch SPD-Chef Martin Schulz wird nicht müde, seine Freundschaft zu Macron hervorzuheben. Wann immer Schulz irgendwo nach Macron gefragt wird, weiß er mitzuteilen, dass es noch gar nicht lange her sei, dass er ausführlich mit ihm gesprochen habe.

Gerade mit Blick auf den deutschen Wahlkampf ist die Konkurrenz um Macron unübersehbar. Merkel und Schulz, beide über 60, wollen offenkundig ein wenig abhaben von der Frische des 39-jährigen Präsidenten. Und der politische Glanz Macrons soll auch die eher durchschnittliche Strahlkraft der deutschen Spitzenpolitiker aufpeppen. Als Merkel den neuen Präsidenten im Kanzleramt empfing, war es die Kanzlerin, die dem Gast vorschlug, gemeinsam vom Balkon aus seinen jubelnden Sympathisanten zu winken.

Der Glanz des 39-Jährigen soll etwas auf die Spitzenpolitiker in Berlin abstrahlen

Als Kanzlerin hat Merkel natürlich den leichteren Zugriff. Sie trifft Macron bei den internationalen Gipfeltreffen. Da sind schnell mal die Köpfe vertrauensvoll zusammengesteckt. Nur Gutes ist zu hören, wie unkompliziert die Abstimmung mit dem Präsidenten laufe. Für den Strahlemann aus Paris ließ Merkel sogar die übliche Solidarität innerhalb der europäischen Parteienfamilien fahren, wünschte Macron öffentlich Erfolg bei den Parlamentswahlen und erwähnte die Schwesterpartei, die französischen Republikaner, mit keinem Wort.

Macron selbst spielt einstweilen geschickt mit der überbordenden Zuneigung. In seiner Programmatik stecken für jede deutsche Seite Vorhaben, die sie gerne hört, aber auch solche, wo es schwierig werden könnte. Den Reformdruck in Frankreich sehen Union und SPD gleichermaßen.

Dass Macron aber auch schon mal Gerhard Schröder als Vorbild nannte, gefällt deutschen Sozialdemokraten nicht. Dafür kommt ihnen entgegen, dass Macron einen Schwerpunkt auf den Bereich der Investitionen legen will. Dass dazu auch eine deutlich Erhöhung der Militärausgaben nach den Zielen der Nato gehören soll, spielt wiederum Merkel Argumente zu. Macrons Balance zwischen Freihandel und Schutz von Arbeitsplätzen tendiert dagegen eher in die sozialdemokratische Richtung.

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Quelle:
SZ vom 19.06.2017/bemo
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