Frankreich:Macrons symbolträchtige Zugeständnisse

Emmanuel Macron, Frankreich

Präsident Macron startete als Reaktion auf die Proteste der Gelbwesten die Grand Débat.

(Foto: AFP)
  • Der französische Präsident will als Antwort auf den Unmut vieler Bürger eine der größten Elite-Hochschulen schließen, berichten französische Medien.
  • Dabei hat Macron an der ENA einst selbst studiert.
  • Ob das die Wut der Gelbwesten dämpft? Die nächsten Proteste sind schon angekündigt.

Von Leila Al-Serori

Es hätte eine große Rede werden sollen, die Emmanuel Macron am Montagabend im Staatsfernsehen halten wollte. Nach Monaten des Grand débat sollte Frankreichs Präsident erklären, was aus all dem Debattieren wird, wie er auf die Gelbwesten-Proteste konkret antwortet. Nichts werde mehr so sein wie zuvor, kündigte sein Büro die Rede an. Von Mitte Januar bis Mitte März waren mehr als 10 000 Debatten organisiert worden, 1,9 Millionen Franzosen übermittelten der Regierung zufolge online ihre Wünsche an den Präsidenten. Nun fehlte nur noch das Finale, die Antwort Macrons auf die "Sorgen der Bürger".

Doch dann brannte am Montagabend Notre-Dame, und der Präsident sagte erstmals nichts zu seinen Reformplänen. "Ich werde noch einmal auf die große Debatte zurückkommen, aber heute ist der Zeitpunkt nicht gekommen", sagte er am Dienstagabend. Die Rettung und der Wiederaufbau des weltberühmten Pariser Wahrzeichens habe nun Priorität. Seine Ansprache verschob er auf unbestimmte Zeit. Der Inhalt seines Redemanuskripts und damit offenbar die zentralen Zugeständnisse sickerten allerdings kurz darauf an die Presse durch.

Die Tageszeitung Le Figaro berichtet, der Präsident wolle die Elitehochschule École Nationale d'Administration (ENA) abschaffen. Schulen und Krankenhäuser sollen nicht mehr ohne die Zustimmung der Bürgermeister geschlossen werden, die Größe von Schulklassen auf maximal 24 Kinder begrenzt werden. Es soll zudem Steuersenkungen und Entlastungen für Rentner geben, jedenfalls für jene, die nicht mehr als 2000 Euro im Monat zur Verfügung haben. Außerdem will Macron die von den Gelbwesten geforderten Volksbefragungen ermöglichen - allerdings nur zu lokalen Themen.

Diese Pläne erscheinen nach dem großen Getrommel nicht als der große Befreiungsschlag, mit dem Macron sich aus der politischen Defensive befreien könnte. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass Macron seine geplante Rede nicht halten konnte und ihm damit die gewohnte rhetorische Wucht fehlt.

Bei genauerer Betrachtung ist zumindest die Abschaffung der ENA ein überraschender Zug des Präsidenten. Immerhin ist er selbst Absolvent dieser Kaderschmiede. Die 1945 gegründete École Nationale d'Administration ist eine der bekanntesten Grandes écoles. Die ENA bildet Personal für die höhere Verwaltung aus. Macron, sein Premierminister Édouard Philippe und viele weitere Regierungsmitglieder kennen sich von dort. Kritiker sehen die ENA als Sinnbild einer in sich geschlossenen Elite - vor allem weil vorrangig gut betuchte Familien dort ihre Sprösslinge unterbringen.

Macron will die ENA offenbar durch neue Hochschulen ersetzen, für die alleine "die Begabung und die Leistung" zählen sollen. Im Redeentwurf wird das als Maßnahme gegen "eine Gesellschaft der Kasten und Privilegien" bezeichnet. Damit antwortet der Präsident auch auf die Kritik, mit der er sich selbst seit dem Wahlkampf konfrontiert sieht: Er sei arrogant und abgehoben und habe von den Problemen der Mehrheit der Franzosen keine Ahnung. Die Abschaffung der ENA könnte daher bei vielen Zuspruch finden.

Die Hauptforderung der Gelbwesten, seiner schärfsten Kritiker, ist sie jedoch nicht. Sie fordern vielmehr, dass die Vermögenssteuer wieder eingeführt wird. Das hat Macron aber nicht vor, er hatte die Steuer schließlich kurz nach seinem Amtsantritt erst abgeschafft. Laut Medienberichten will er von 2020 an zumindest nötige "Korrekturen" prüfen.

Ob das genug ist, um der Wut vieler Bürger zu begegnen, die seit Monaten demonstrieren? Macrons Beliebtheitswerte stiegen zuletzt wieder, aber der Druck auf ihn ist groß. Und Kommentatoren schreiben, er habe mit seiner nationalen Debatte enorme Erwartungen geweckt.

Das Feuer in Notre-Dame hat dem Präsidenten eine kleine Verschnaufpause verschafft. Die Franzosen sind angesichts der Trauer um die schwer beschädigte Kathedrale zusammengerückt. Die Forderungen der Gelbwesten gerieten zunächst etwas in den Hintergrund. Doch das könnte sich schon bald wieder ändern. Nach dem Bekanntwerden der ersten Fragmente aus der Rede hieß es aus Reihen der Gilets jaunes, dass Macron nun endlich seine Pläne im Detail vorstellen solle, die Geduld sei aufgebraucht. Sie haben bereits neue Proteste angekündigt.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusFrankreich
:Paris, dein Herz

Als die Stadt am Dienstagmorgen aufwacht, ist eines klar: Die alten, gotischen Mauern von Notre-Dame stehen noch. Über ein Land, das stärker ist.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: