Leibwächter-Affäre:Macron zeigt sich unduldsam

Emmanuel Macron, Alexandre Benalla

Emmanuel Macron (rechts) im März, noch beschützt von seinem Leibwächter Alexandre Benalla

(Foto: AP)

In der Affäre um seinen rabiaten Leibwächter zeigt sich Frankreichs Präsident überraschend dünnhäutig und schaltet auf Angriff. Kritik an seiner Person hält er offenbar für Zeitverschwendung.

Kommentar von Nadia Pantel, Paris

In schweren Zeiten lernt man einander besser kennen. Dass das nicht immer gut ausgeht, kann man an den hohen Scheidungsraten ablesen. Frankreich erlebt zurzeit die erste Krise der Präsidentschaft Macron. Die Franzosen wollen sich nun nicht direkt von ihm scheiden lassen, gerade sind zwei Misstrauensanträge gegen seine Regierung gescheitert. Aber besser kennengelernt haben sie ihn schon, ihren jungen Präsidenten. Es war keine schöne Erfahrung.

Noch einmal die Fakten: Alexandre Benalla, ein Mitarbeiter von Emmanuel Macron, benimmt sich daneben, Macron erfährt davon, verschweigt es der Justiz - und als der Vorfall durch die Presse öffentlich gemacht wird, behauptet der Präsident, die Medien seien die Einzigen, die sich dafür interessierten, dass sein Leibwächter Demonstranten verprügele.

Durch dieses bemerkenswert miese Krisenmanagement wuchs nicht nur der Skandal, es war auch, als könne man zum ersten Mal hinter die perfekte Fassade dieser Präsidentschaft blicken. Und dort saß kein professioneller Alleskönner mehr, sondern ein sehr beleidigter Mann. Gekränkte Männer, das ist bekannt, können ungefähr so gefährlich wie ein Nilpferd sein, also sehr.

In bester Nilpferdmanier schaltete Macron auf Angriff und sah auf einmal überall Feinde. Für ihn ging es nicht um die Frage, was er falsch gemacht hatte, sondern darum, wer es überhaupt wagte, ihn zu kritisieren, wo er doch nur das Beste für das Land will. Journalisten, die ihn zu Benalla befragten, fuhr er an: "Das interessiert doch nur Sie." Als er im Wahlkampf Homestorys von sich und seiner Frau in Hochglanzmagazinen unterbrachte, sah Macron Fragen medialer Relevanz noch nicht so eng.

Dass Macron nicht substantiell geschwächt aus diesem Sommerskandal hervorgehen dürfte, ist nicht sein Verdienst. Es liegt daran, dass die Opposition ihn zwar persönlich angreift, aber inhaltlich keine Alternative bietet, die die Mehrheit der Franzosen überzeugen würde. Macron ist somit nicht der große Erneuerer, sondern der kleinste gemeinsame Nenner. Für eine Demokratie ist das durchaus ausreichend. Das Problem ist nur, dass Macron so deutlich zeigt, dass ihm das persönlich zu wenig ist.

Man kann die Ungeduld, mit der Macron regiert, schwungvoll oder visionär finden. Man kann in ihr aber auch erkennen, dass Macron langwierige Verhandlungen und Kritik an seiner Person für Zeitverschwendung hält.

Macron geriert sich als Außenseiter

Im April gab der Präsident Fox News, dem Hofsender von Donald Trump, ein Interview, in dem er sich dem amerikanischen Präsidenten mit den Worten empfahl, er sei "wie er, ein Außenseiter" des Systems. Jedes System hat Außenseiter, das stimmt. In Paris sieht man sie zum Beispiel zu Tausenden auf den Straßen schlafen. Doch wer ein Land regiert, steht nicht neben oder über dem System, er trägt die Verantwortung für das System. Und dazu gehört, weder das Parlament noch die Justiz noch die freien Medien lächerlich zu machen.

Auf die Affäre Benalla haben der Präsident und sein Umfeld mit Verweisen auf ihre Erfolge reagiert - und mit Gegenvorwürfen an die Opposition. Dabei sind Wähler ja nicht dumm. Sie wissen, dass die Republikaner mehr Leichen im Keller haben als das Team Macron. Sie sehen, dass er seine Wahlversprechen einlöst. Sie müssen deshalb aber nicht in Demut vor dem präsidialen Übervater erstarren.

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