Begleitet von heftigem Protest der Opposition und von Menschenrechtlern wollte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Donnerstagabend den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman zum Abendessen im Élysée-Palast empfangen. Der umstrittene Potentat, de facto der mächtigste Mann in seinem Land, ist auf Europareise, auf der ersten Station Anfang der Woche hatte ihn Griechenlands Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis schon in Athen begrüßt.
Der französische Präsident war im vergangenen Dezember der erste westliche Staatschef, der bin Salman in Riad besucht hatte, nachdem dieser von westlichen Regierungen geächtet worden war. Der amerikanische Geheimdienst CIA macht den Kronprinzen für den Auftragsmord an dem Washington-Post-Journalisten und Regimekritiker Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul im Jahr 2018 verantwortlich. Bin Salman bestreitet den Vorwurf. Mit Ausnahme von Nahost-Reisen war der Kronprinz seither offiziell nur zum G-20-Gipfel nach Japan gereist.
Vor zwei Wochen hatte dann auch US-Präsident Joe Biden, der den Saudi zuvor noch als "Paria" bezeichnet hatte, bin Salman im Rahmen einer Nahostreise besucht und dessen Isolation damit faktisch aufgehoben. Während es Biden bei einem Faustgruß beließ, hatte Macron damals seine Hand als Zeichen der Nähe auf den Arm des Gastgebers gelegt.
Im Élysée weiß man offensichtlich, wie delikat die neuerliche Zusammenkunft ist, die erst am Mittwoch offiziell bestätigt worden war. Bin Salman erhält keinen großen Empfang und nur ein "Arbeitsessen", kein Staatsbankett, kein Pressestatement. Worüber die beiden Politiker sprechen wollten, wurde nicht bekannt gegeben. Wenig überraschend rufen Macrons Bemühungen, "MbS", wie er oft genannt wird, trotz allem wieder salonfähig zu machen, Kritiker auf den Plan. "Steht auf dem Menü des Abendessens zwischen Macron und MbS die zerstückelte Leiche des Journalisten Khashoggi?", schrieb der Grünen-Politiker Yannick Jadot auf Twitter. Statt "Klimachaos" oder "Frieden und Menschenrechte" stünden "Öl und Waffen" auf der Agenda und damit "das genaue Gegenteil von dem, was gemacht werden muss".
Auch andere Politiker des linken Lagers sowie die Menschenrechtsorganisation Amnesty International machten Macron zum Teil harsche Vorwürfe wegen des Treffens. Die Chefin von Amnesty International, Agnès Callamard, schrieb auf Twitter: "Die Rehabilitation des Mörderprinzen wird in Frankreich wie in den USA mit Argumenten der Realpolitik verteidigt werden. Aber machen wir uns nichts vor, tatsächlich ist es der Kuhhandel, der dominiert." Die beiden Menschenrechtsorganisationen Dawn und Trial International gaben am Donnerstag bekannt, dass sie gegen bin Salman in Frankreich im Zusammenhang mit dem Mord an Khashoggi Klage eingereicht hätten. Sie werfen ihm Mittäterschaft an der Folter und dem erzwungenen Verschwinden des Journalisten vor. Auch wegen des verheerenden Kriegs in Jemen, wo Saudi-Arabien gegen die Huthi-Milizen kämpft, steht der Kronprinz in der Kritik.
Saudi-Arabien als wichtiger Partner
Macron betrachtet Saudi-Arabien als wichtigen und unerlässlichen Partner, um einerseits die schwierige politische Lage in Libanon in den Griff zu bekommen und andererseits den iranischen Ambitionen in der Region entgegenzutreten. Aktuell dürfte aber der Versuch im Vordergrund stehen, das Land zu einer Ausweitung der Öllieferungen zu bewegen, um den Ausfall durch die Sanktionen gegen Russland auszugleichen. Über dieses Thema hatte Macron kürzlich auch mit Biden beim G-7-Treffen im bayerischen Elmau gesprochen. Und genau demselben Zweck diente vergangene Woche ein Treffen des Franzosen mit Mohammed bin Sajid, dem Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate, in Paris. Die Opec-Staaten haben ihre Produktion in den vergangenen Monaten trotz aller Appelle aus dem Westen nur mäßig erhöht.
Macron war kurz vor dem Treffen mit bin Salman von einer Afrika-Reise zurückgekehrt. In Kamerun, Benin und Guinea-Bissau hatte er versucht, dem wachsenden russischen Einfluss auf dem Kontinent entgegenzuwirken.