Machtwechsel in Nordkorea:Vom mysteriösen Schüler zum Geliebten Führer

Nordkoreas Machthaber Kim Jong Il regelt sein Erbe: Auf einem Parteitag im September soll dem Volk der neue Staatschef präsentiert werden. Der ging in der Schweiz zur Schule - und verehrt Jean-Claude Van Damme.

1966 ist das Jahr, in dem erstmals eine Großen Koalition Deutschland regiert hat und die Nationalelf durch das Wembley-Tor im WM-Finale gegen England verloren hat. Es ist das Jahr, in dem die Beatles ihr letztes Live-Konzert gegeben haben und in dem Mao Zedong seine Kulturrevolution begann.

Machtwechsel in Nordkorea: Die offiziellen Portraits von Kim Jong Il (rechts) und seinem Vater Kim Il Sung. Bald könnte das Bildnis des jüngsten Sprosses der Familie die Galerie ergänzen.

Die offiziellen Portraits von Kim Jong Il (rechts) und seinem Vater Kim Il Sung. Bald könnte das Bildnis des jüngsten Sprosses der Familie die Galerie ergänzen.

(Foto: ap)

1966 ist auch das Jahr, in dem die in Nordkorea herrschende Arbeiterpartei zum letzten Mal ihre Delegierten zu einem Parteitag zusammengerufen hat. Nun berichtet die staatliche Nachrichtenagentur KCNA von einer kleinen Sensation: Im September 2010 soll wieder ein Parteitag stattfinden.

Noch spektakulärer ist der mögliche Grund für das Treffen: Staatschef Kim Jong Il will offenbar seine Nachfolge regeln und seinen jüngsten Sohn als Nachfolger und "Geliebten Führer" installieren. Das Politbüro des Zentralkomitees habe entschieden, Anfang September eine Sitzung der Partei "für die Wahl ihres höchsten Führungsgremiums" einzuberufen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur KCNA am Samstag.

Ob auch Kim Jong Il, der Generalsekretär der Partei ist, daran teilnehmen wird, ist unklar. Man stehe "vor den heiligen revolutionären Aufgaben", die Partei in eine "ewige ruhmvolle Partei" des früheren Staatschefs Kim Il Sung zu entwickeln, ließ die Führung vermelden. Es gelte, "ihre kämpferische Funktion und Rolle zu stärken, um das Land als eine prosperierende und mächtige sozialistische Nation zu verherrlichen".

Der 1994 gestorbene Kim Il Sung hatte während seiner Herrschaft seinen Sohn Kim Jong Il akribisch auf die Nachfolge vorbereitet. Der erlitt vor zwei Jahren vermutlich einen Schlaganfall - seitdem rätseln Beobachter über seinen Gesundheitszustand und einen möglichen Nachfolger.

Kim Jong Un, der jüngste Sohn des Präsidenten, gilt als wahrscheinlichster Nachfolger. Der Nordkorea-Experte Cheong Seong Chang sagte, Kim Jong Un sei nach Einschätzung des südkoreanischen Geheimdienstes bereits im vergangenen Jahr zum Nachfolger seines Vaters bestimmt worden. Auf dem Parteitag solle das nun öffentlich bekanntgegeben werden.

Der jüngste Präsidentensohn ist ein unbeschriebenes Blatt. In der Schweiz gibt es aber eine Handvoll Menschen, die mit dem heute 27-Jährigen mutmaßlich schon einmal zu tun hatten - sie glauben es jedenfalls.

Im Juni vergangenen Jahres veröffentlichte die japanische Zeitung Mainichi Shimbun ein zehn Jahre altes Foto. Angeblich handelte es sich um ein Klassenfoto einer Privatschule in Bern von 1999, das den damals 16-jährigen Kim Jong Un zeigt. Der junge Kim sei dort von 1996 bis 2001 unter dem falschem Namen Pak Un als Sohn eines nordkoreanischen Botschaftsangehörigen angemeldet gewesen.

Comics, Basketball und Geheimnisse

Recherchen unter ehemaligen Klassenkameraden förderten zutage, dass der Besagte dort Englisch, Französisch und Deutsch lernte. Er habe gerne Comics gezeichnet. Einem portugiesischen Mitschüler, Jocao Micaelo, soll er sich demnach in einem seltenen Moment der Offenheit einmal als Sohn Kim Jong Ils zu erkennen gegeben haben. Ein Familienfoto habe als Beweis gedient, zitierte das Blatt Micaelo, der auf Einladung des Mitschülers einmal über Nacht nach Paris zu einem Spiel eines NBA-Teams chauffiert wurde.

Machtwechsel in Nordkorea: Zeigt dieses Bild von einer Berner Privatschule den jungen Kim Jong Un?

Zeigt dieses Bild von einer Berner Privatschule den jungen Kim Jong Un?

(Foto: afp)

Basketball sei eines der Hobbys jenes mysteriösen "Studenten" gewesen, sagte auch der Berner Bildungsdirektor Ueli Studer. Darüber hinaus wolle er sich jedoch nicht "an Spekulationen beteiligen", wehrte Studer ab. Die Washington Post wusste zudem zu berichten, dass der junge Kim gerne Ski fuhr und Belgiens Actionfilm-Held und Hollywood-Muskelprotz Jean-Claude Van Damme verehrte.

Schulleiter Peter Burri beschrieb seinen geheimnisvollen Schüler als sehr fleißig. Er habe "mit Hingabe alles bearbeitet" und gute Leistungen in Mathematik, Englisch und Deutsch erbracht. Als "geheimnisumwoben" hat ihn auch seine ehemalige Lehrerin Simone Kuhn in Erinnerung. Eines Tages habe er ihr kurz und knapp eröffnet, dass heute sein letzter Schultag sei. Dann war er weg. Laut der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap besuchte Kim Jong Un etwa zu jener Zeit die nach seinem Großvater Kim Il Sung benannte Militärakademie in Pjöngjang. Im Jahr 2007 schloss er dort mit einem Diplom ab.

Darüber hinaus gibt es eigentlich nur noch die gesicherte Erkenntnis, dass Kim Jong Un der jüngste von drei Söhnen Kim Jong Ils ist. Er wurde von dessen dritter Frau, der japanisch-stämmigen Tänzerin Ko Jong Hi, geboren. Hi starb mutmaßlich vor etwa sechs Jahren an Brustkrebs. Kim Jong Uns Brüder sind der 29-jährige Kim Jong Chul und der 39-jährige Kim Jong Nam.

Der Chef des südkoreanischen Geheimdienstes, Won Sei Hoon, erklärte in dieser Woche, Nordkorea habe bereits eine Kampagne gestartet, um den jungen Kim beim Volk beliebt zu machen. Won erklärte nach einem Zeitungsbericht vor dem Parlament in einer nichtöffentlichen Sitzung, Kim Jong Ils Gedächtnis habe nachgelassen. Die sei eine Folge des Schlaganfalls. Der Sohn werde von seinem Vater bereits regelmäßig zu Besichtigungen von Fabriken und zur Inspizierung von Stützpunkten der Streitkräfte mitgenommen.

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