Machtwechsel in Großbritannien:Cameron rät Nachfolgerin May zu enger EU-Bindung

Der letzte Auftritt als Premier im Unterhaus: David Cameron preist sich, nutzt Monty Python für Spott - und gibt seiner Nachfolgerin May einen Wunsch mit auf den Weg.

Von Oliver Das Gupta

London am Mittwochmittag, Fragestunde im Londoner Westminister Palace. Der Premier steht Rede und Antwort, das ist traditionell so üblich, doch für David Cameron ist dieser Tag ein besonderer. Er tritt ein letztes Mal als Regierungschef im Unterhaus auf.

Noch einmal wuchert er mit seinem großen Redetalent. Eloquent und schnell formuliert Cameron, oft witzig und floskelhaft. Und manchmal beißt er zu. An diesem Tag bedankt er sich oft, denn er hört viele freundliche Dinge über sich.

Einzelne Abgeordnete seiner Tory-Partei nutzen ihr Fragerecht, um den scheidenden Regierungschef zu loben. Eine Parlamentarierin sagt, in ihrem Wahlkreis sei unter der Cameron-Regierung die Arbeitslosigkeit auf zwei Prozent gesunken. Cameron weiß das, er korrigiert die Parteifreundin sogar noch ein wenig und präzisiert die Quote auf 1,9 Prozent. Das sei quasi Vollbeschäftigung, frohlockt er.

Überhaupt gibt sich Cameron wie ein erfolgreicher Kämpfer, der nach sechs Jahren umjubelt die Arena verlässt. Er preist sich ausgiebig selbst. Es gebe mehr Jobs, mehr Investitionen als zuvor. Und er sagt, das Land "steht jetzt besser da" als beim Amtsantritt - ein Satz, den fast alle Premiers zum Abschied aufsagen.

Er hat gezockt, er hat verloren, kolossal verloren

Cameron kaschiert an diesem Tag gelungen, dass seine Regierungszeit desaströs endet. Er hat das Brexit-Referendum angestoßen, er hat gezockt, er hat verloren, kolossal verloren. Deshalb tritt er nun ab und deshalb steht Großbritannien vor einer ungewissen Zukunft.

Den Karren weiterziehen wird in ein paar Stunden die Frau, die zur nächsten Fragestunde Camerons Platz einnehmen wird. Aber heute sitzt Theresa May zur Linken Camerons, nickt bei Lob und verzieht das Gesicht, wenn ungemütliche Fragen an ihren Vorgänger kommen.

Vor allem, wenn es um den Brexit geht. Nach und nach konfrontiert Oppositionsführer Jeremy Corbyn den Premier mit Aussagen von May, die sie als Innenministerin von sich gegeben hat. Dass viele Wirtschaftsunternehmen wegziehen. Dass viele Menschen ausgebeutet werden durch "skrupellose Bosse". Corbyn fragt, ob May die Rechte der Gewerkschaften wiederherstellt und dafür sorgt, dass Arbeitnehmer wieder besser geschützt werden.

Gerade beim letzten Punkt hallen viele Buhs, Yehs und sonstige Geräusche durch den Saal.

Cameron wischt Corbyns Anmerkungen beiseite. Mal spult er Phrasen ab, mal spottet er. Fies sein kann er auch als abgehalfterter Noch-Premier, das zeigte Cameron schon letzte Woche, als er Corbyn zum Rücktritt aufforderte.

2:0 für die Tories, wenn es um weibliche Premiers geht

Die erste Spitze gegen die Opposition bringt er mit Blick auf die Tory-Ikone Margaret Thatcher und seine Nachfolgerin May: "Wenn es um weibliche Premierminister geht, steht es bald 2:0 gegen die Labour-Party". Und dann, angesichts des Machtkampfes um den angezählten Labour-Chef Corbyn, attestiert Cameron dem politischen Gegner konfus und regierungsunfähig zu sein. "Wenn sie jemals an die Macht kommen", ruft Cameron, "wird es ein Jahr dauern, bis sie wissen, wer Premier sein wird."

Ein anderes Mal entgegnet er Corbyn, er bewundere dessen Hartnäckigkeit. Der angeschlagene Labour-Chef erinnere ihn an den Schwarzen Ritter in Monty Pythons "Ritter der Kokosnuss", sagt Cameron und nun grinsen wohl auch auf den hinteren Bänken einige Labour-Abgeordnete.

Denn in der berühmten Szene der Komiker-Truppe hält sich der schwarze Ritter auch dann noch für unbesiegbar, als ihm sein Gegner schon Arme und Beine abgeschlagen hat (hier die Szene).

Corbyn kontert zum Ende mit einem Gruß an Camerons Mutter. Die gebe ihm wohl seit jeher immer gute Ratschläge, was die Auswahl seiner Schlipse und Socken angeht. Und dann gebe es noch das Gerücht, dass Cameron seinen Rückzug sorgfältig choreographiert habe, um die Nachfolge des berühmten Ballroom-Tänzers Len Goodman anzutreten. Es sind höfliche Witzeleien Corbyns, die Cameron artig pariert. Und den Dank werde er an seine Mutter weitergeben, sagt er.

Die Ansage nach außen: So viel wird sich nicht ändern

Der Premier will auch noch eine Botschaft zum Brexit loswerden. Als er gefragt wird, welchen Rat er seiner Nachfolgerin für die Austrittsverhandlungen mit auf den Weg gibt, wiegelt Cameron nicht etwa ab. Sondern er sagt: "Wir sollten so nah wie möglich an der EU bleiben." An anderer Stelle betont er, wie wichtig es sei, "dass wir den Zugang zum Binnenmarkt behalten" und dass EU-Bürger ihre Rechte behalten sollten, solange die Briten im EU-Ausland nicht benachteiligt werden. Es ist wohl auch eine Ansage nach außen: So viel wird sich nicht ändern - wenn die EU-Partner bei den Verhandlungen mitmachen.

Dann neigt sich die Fragestunde dem Ende zu. Cameron spricht Abschiedsworte, kurz und knackig, verspricht May als Premierministerin zu unterstützen. Beifall und Buhrufe werde er vermissen, sagt er. Und, dass man in der Politik so viel erreichen kann. "Ich war früher mal Zukunft", ruft David Cameron.

Beifall, Händeschütteln, Abgang. Cameron eilt aus dem Saal, er muss zum Buckingham Palace, die Queen wartet auf seine Rücktrittsvisite. Ein kurzweiliger letzter Auftritt des Premiers ist vorbei, der wohl vor allem eines vergessen machen sollte: Dass David Cameron grandios gescheitert ist.

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