Um ein Haar hätte ein Fehlstart die Machtübernahme der Republikaner in Washington eingeleitet. Mike Johnson versuchte, sich die Anspannung nicht ansehen zu lassen, als er am Freitagmittag im Saal des House of Representatives in Washington ankam. Er wollte siegesgewiss wirken, es ging um nichts weniger als sein Amt als Speaker dieser Parlamentskammer. Auf fast jede Stimme würde er angewiesen sein bei der Wahl im Abgeordnetenhaus, bei der ersten Sitzung des 119. Kongresses.
Nur wenige Abweichler konnte sich Johnson angesichts der äußerst knappen Mehrheit der Republikaner im Abgeordnetenhaus leisten. Und er war angewiesen auf einen geordneten Start im neuen Kongress. Als Auftakt für das Jahr, in dem Donald Trump zum zweiten Mal die Macht im Weißen Haus übernehmen wird, in seinem Rücken eine Mehrheit im Senat und eine Mehrheit im House, letztere orchestriert von Mike Johnson. Dieser soll zuständig dafür sein, intern Unterstützung für Trumps Politik zu gewinnen.
Johnson geht mit zwei Abweichlern raus – dann ändern diese ihr Votum
Klar war an diesem Freitag aber einzig, dass die Wahl nicht frei von Drama über die Bühne gehen würde. Erst nach bangem Warten während der Feiertage hatte Johnson die entscheidende Unterstützung erhalten von Donald Trump, dem designierten Präsidenten.
Jetzt konnte Johnson nur noch hoffen, dass es reichen würde. Also vertrieb er sich die Zeit mit den üblichen Ritualen zu Beginn eines neuen Kongresses, alle zwei Jahre finden sie statt, er kennt sie, es ist das fünfte Mal für ihn. Er posierte für Selfies mit den Kindern seiner Kollegen, sein Lächeln etwas professioneller als das der Schulbuben, in dunkle Anzüge und Krawatten gekleidet wie ihre Väter.
Als es ernst wurde und als erster Agendapunkt die Abstimmung per Namensaufruf begann, saß Johnson scheinbar ruhig in seinem Sessel, die Beine verschränkt. Nur die nimmerruhigen Mundwinkel verrieten, was in ihm vorgehen musste. Er hatte alle Rechnungen gemacht, aber die Republikaner im Abgeordnetenhaus sind ein chronisch unberechenbarer Haufen – auch ohne Matt Gaetz, den Ultrarechten, der zwar wiedergewählt worden war, aber auf seinen Sitz verzichtet hatte, einer von zwei Abwesenden bei dieser ersten Sitzung. Das dürfte Johnson eher beruhigt haben an diesem Freitag. Gaetz war der Architekt eines Aufstands des sogenannten Freedom Caucus gegen Johnsons Vorgänger im Amt des Speakers. Die Abgeordneten vom rechten Rand der Partei jagten Kevin McCarthy aus dem Amt, weil er es gewagt hatte, mit den Demokraten einen Kompromiss beim Staatshaushalt einzugehen.
Fieberhaft hatte Mike Johnson am Tag vor der Wahl noch mit dem Freedom Caucus verhandelt, dessen Mitglieder damit gedroht hatten, ihm ihre Stimmen zu verweigern. Bei der namentlichen Abstimmung ließen ihn mehrere Abgeordnete schmoren, vor allem Republikaner aus dem Süden, wütend darüber, dass Johnson vor Weihnachten einen Nothaushalt gezimmert hatte, obwohl sie einen radikalen Abbau der Staatsschulden verlangen. Chip Roy genoss den Moment, als er aufgerufen wurde, mitten im Saal blieb er stehen, bohrte mit seinen Blicken Löcher in Johnsons Hinterkopf und sagte: nichts.
Es sah ganz so aus, als würde der Anführer der Republikaner im Repräsentantenhaus die nötige Mehrheit von 218 Stimmen verpassen. Doch dann erhielten zum Ende alle, die ihre Stimme nicht abgegeben hatten, eine zweite Chance. Und plötzlich lenkten mehrere ein – bis auf Ralph Norman und Keith Self. Abgeordnete und Journalisten bereiteten sich bereits auf eine lange Nacht vor, während Johnson mit Norman und Self aus dem Saal eilte. Minute um Minute verstrich, das Resultat sollte längst verkündet werden, da kehrten die drei zurück und marschierten direkt zu den Stimmenzählern. Dort änderten Norman und Self ihr Votum – jetzt kam Johnson auf 218 Stimmen und hatte die nötige Mehrheit.
Der Start in das erste Jahr von Donald Trumps zweiter Präsidentschaft gelang. Äußerst knapp.