Machtkampf in SPD:Müntefering entschärft Konflikt mit Beck

Der Vizekanzler will im Streit über die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes auf SPD-Chef Beck zugehen. Müntefering zeigte sich zuversichtlich, dass es bis zum Parteitag Ende Oktober "eine einvernehmliche Lösung" geben werde.

N. Bovensiepen, P. Fahrenholz, N. Fried und J. Schneider

Vizekanzler und Arbeitsminister Franz Müntefering hat im SPD-internen Streit um das Arbeitslosengeld erstmals versöhnlichere Töne angeschlagen. Zwar blieb Müntefering am Dienstag vor der SPD-Bundestagsfraktion bei seiner grundsätzlichen Kritik am Vorschlag von Parteichef Kurt Beck, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für Ältere zu verlängern.

Zugleich zeigte er sich nach Teilnehmerangaben zuversichtlich, dass es bis zum Parteitag Ende Oktober eine einvernehmliche Lösung geben werde. Beck und er würden "eine gemeinsame Linie hinbekommen, auch wenn es vorher geschrammt hat", sagte Müntefering. Die etwa siebenminütige Rede des Vizekanzlers wurde mehrmals von Beifall der Abgeordneten unterbrochen.

Müntefering sagte, die Reformpolitik zeige gerade auch bei älteren Arbeitslosen Erfolg. "Wir können den Beweis führen, dass die Richtung richtig ist." Man müsse weiter dafür sorgen, "dass Ältere in Arbeit kommen und nicht in der Arbeitslosigkeit bleiben."

Änderung bringt "in der Sache nichts"

Dafür sei er bereit, über weitere Maßnahmen zu reden. Eine Veränderung der Bezugsdauer bringe seiner Ansicht nach "in der Sache nichts". Er warnte die SPD vor der Hoffnung, "jetzt, wo die Union nach links drängt und links schon die Konkurrenz steht, mit einem Schwenk etwas gewinnen zu können". Der Vizekanzler machte auch deutlich, dass er über die Entstehungsgeschichte des Beck-Vorschlages enttäuscht gewesen sei.

Nach seiner Darstellung wurde er erst am vorvergangenen Montag, dem 1. Oktober, in einer kleineren Runde über das Vorhaben Becks informiert. Man habe angesichts seiner bekannten Haltung nicht erwarten können, dass er nun plötzlich eine andere Position einnehmen würde.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich nach Teilnehmerangaben in der Unionsfraktionssitzung am Dienstag zurückhaltend zur Ausweitung des Arbeitslosengeldes I. Mit Blick auf den Streit in der SPD sagte sie dem Vernehmen nach, dass für sie die Senkung der Lohnnebenkosten "allerhöchste Priorität" habe.

Sie verwies darauf, dass "eine Diskussion" in der SPD derzeit besonders hohe Wellen schlage. Ihr bereite aber viel mehr Sorgen, dass auch andere Punkte wie die Rente mit 67 in der SPD zunehmend kritisch gesehen würden. Aus der Fraktionsspitze war zuvor SPD-Chef Beck heftig kritisiert worden. Mit seinem Vorstoß habe er einseitig die Geschäftsgrundlage der Koalition aufgekündigt, sagte der parlamentarische Geschäftsführer Norbert Röttgen (CDU).

Wirtschaftsministerium stützt Münteferings Sicht

Indirekte Unterstützung bekam Müntefering aus dem CSU-geführten Wirtschaftsministerium von Michael Glos. In einem internen Vermerk des Hauses heißt es: "Die Agenda 2010 hat den kräftigen Aufschwung am Arbeitsmarkt positiv flankiert."

Zu dem Streit um das Arbeitslosengeld steht in dem Papier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt: "Die Verkürzung der Bezugsdauer führt zu einer schnelleren Integration Arbeitsloser in den Arbeitsmarkt." Die Kosten für eine Verlängerung könnten zwei Milliarden Euro betragen - die Summe entspräche einer Erhöhung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung um 0,3 Prozentpunkte.

Insgesamt würde, so das Resumee, ein Abrücken von dem eingeschlagenen Kurs "das Rad zurückdrehen, hohe Kosten verursachen, den Abbau der Arbeitslosigkeit verzögern und die notwendige Integration von Langzeitarbeitslosen und Geringqualifizierten beeinträchtigen".

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