Machtkampf in Moskau:Putin-Vertrauter wird Bürgermeister

Präsident Dmitrij Medwedjew macht den Putin-Vertrauten Sergej Sobjanin zum Bürgermeister von Moskau - und entscheidet sich damit gegen grundlegende Modernisierung.

Frank Nienhuysen

Der russische Präsident Dmitrij Medwedjew hat am Freitag Sergej Sobjanin zum neuen Bürgermeister von Moskau ausgewählt. Den 52-Jährige war bisher im Kabinett stellvertretender Ministerpräsident und gilt als Vertrauter von Regierungschef Wladimir Putin. Er hatte allerdings auch vor zweieinhalb Jahren den Wahlkampf von Medwedjew geleitet. Der Präsident sagte nach einem Treffen mit Sobjanin in seiner Residenz, ihm "steht eine verantwortungsvolle Aufgabe bevor, der er auch gerecht werden wird". Außer Sobjanin standen noch drei weitere Kandidaten auf einer Auswahlliste, welche die Moskauer Regierungspartei Einiges Russland dem Präsidenten vorgeschlagen hatte. Unter ihnen war auch Verkehrsminister Igor Lewitin.

Putin baut Führungsmannschaft um - Sobjanin

Sergej Sobjanin wird Moskaus neuer Bürgermeister. Der stellvertretende Ministerpräsident gilt als enger Vertrauter von Regierungschef Wladimir Putin.

(Foto: dpa/dpaweb)

Sobjanin wird Nachfolger von Jurij Luschkow, der 18 Jahre lang die russische Hauptstadt regiert hatte. Medwedjew hatte den 74 Jahre alten Luschkow nach einem monatelangen Machtkampf vor zwei Wochen entlassen und dies mit "fehlendem Vertrauen" begründet. Der Bürgermeister von Moskau wird wie die Gouverneure in den Regionen vom Präsidenten ernannt. Putin hatte die Direktwahl noch zu seiner Zeit als Präsident abgeschafft. Offiziell muss Medwedjews Entscheidung noch das Moskauer Stadtparlament passieren, doch das gilt nur noch als Formsache.

Sobjanin muss Moskau nun in einigen Bereichen erneuern, Medwedjew nannte unter anderem den Kampf gegen die Korruption. "Leider ist dagegen in den letzten Jahren wenig unternommen worden", sagte Medwedjew. Luschkow war von seinen Kritikern Misswirtschaft und Filz vorgeworfen worden. Vor allem die undurchsichtige Zusammenarbeit mit seiner Frau Jelena Baturina stand in den Medien zuletzt im Zentrum einer Kampagne. Die Bauunternehmerin Baturina ist die reichste Frau Russlands und soll zahlreiche geschäftliche Aufträge allein ihrem Mann zu verdanken haben. Die Immobilienpreise sind in der Ära Luschkow stark gestiegen, Moskau ist seit vielen Jahren die teuerste Stadt in Europa. Auch gelang es Luschkow nicht, den Verkehrskollaps zu verhindern.

Erfahrung statt Moderne

Medwedjew sagte laut der der Nachrichtenagentur Interfax, "Moskau ist ein besonderer Platz, eine Megapolis, die in den vergangenen Jahren viel erreicht hat, in der es jedoch auch einige Probleme gibt". Er nannte vor allem die immensen Staus und die angespannte soziale Lage in der Hauptstadt. Die Stadt sei mittlerweile übervölkert. Die Stadt Moskau hat 10,6 Millionen Einwohner, der Großraum noch einmal vier Millionen mehr.

Der russische Präsident verzichtete darauf, einen jungen Politiker an die Spitze der Hauptstadt zu setzen und damit ein Signal für eine grundlegende Modernisierung zu setzen. Sobjanin gilt als solider, erfahrener Politiker, der Rückhalt in der Regierungspartei hat und offensichtlich zunächst einmal die Lage in Moskau nach der Entlassung Luschkows beruhigen soll. In einem Jahr wird in Russland ein neues Parlament gewählt, Anfang übernächsten Jahres der Präsident. Der machtbewusste Luschkow war in seinem Amt zu einem der einflussreichsten Politiker von Russland geworden. Einen ähnlichen Machtstatus dürfte Sobjanin nicht erreichen.

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