Machtkampf in Iran:Die Sprache des Drucks

Irans ergrauende Wächter blicken nervös in die Gesichter einer aufsässigen Bevölkerung. Jetzt kommt es auf den Westen an. Dies ist nicht die Zeit, mit dem Regime in Teheran zu verhandeln.

Nile Gardiner

Nile Gardiner leitet das "Margaret Thatcher Center for Freedom" bei der Heritage Foundation in Washington, einem der führenden konservativen US-Think-Tanks. Übersetzung: Detlef Esslinger

Iran, Proteste in Los Angeles,  AFP

Gegen das Regime in Teheran wurde auch im Westen demonstriert, wie hier in Los Angeles.

(Foto: Foto: AFP)

Hunderttausende waren es, die in den vergangenen zehn Tagen in Teheran die Straße übernommen haben. Sie haben sich gegen das brutale Regime von Mahmud Ahmadinedschad ausgesprochen, das vom obersten Herrscher Ayatollah Ali Chamenei unterstützt wird. Zum ersten Mal seit drei Jahrzehnten gab es Massendemonstrationen in ganz Iran, einem der repressivsten Länder der Welt.

Hunderte Demonstranten, auch Frauen, wurden von den Sicherheitskräften und den Bassidsch-Milizen grausam geschlagen, mindestens 20 wurden getötet, dies alles im Nachgang zu offensichtlich betrügerischen Wahlen, die Ahmadinedschad einen hohen Sieg über seinen wichtigsten Rivalen Mir Hussein Mussawi verschafften.

Ob die Proteste die Geburtsstunde einer zweiten iranischen Revolution bedeuten, wird man sehen. Die Revolutionären Garden und die wichtigsten Organe des Staates verhalten sich weiter loyal zum Präsidenten, und es gibt nur wenig Anzeichen für eine Spaltung innerhalb der Streitkräfte. Mussawi wiederum, das sollte festgehalten werden, ist keineswegs ein Dissident; die meiste Zeit seines Berufslebens war er ein integraler Bestandteil des Establishments.

Für die Zukunft des iranischen Volkes, aber auch für die internationale Sicherheit angesichts der bevorstehenden nuklearen Bedrohung wird es entscheidend sein, wie der Westen nun reagiert, wie er mit der Krise und dem Ahmadinedschad-Regime umgeht.

Anstatt die Politik des "konstruktiven Engagements" mit Teheran fortzusetzen, sollten die Vereinigten Staaten und Europas führende Mächte versuchen, die Ahmadinedschad-Regierung zu isolieren und sich weigern, ihre Rechtmäßigkeit anzuerkennen. Es ist extrem schwierig und unklug, mit einer Diktatur zu verhandeln, die eine Wahl gestohlen hat und der es an Unterstützung durch das eigene Volk mangelt.

Die Turbulenzen in Iran und die wachsende Opposition zu Ahmadinedschad gibt dem Westen die große Gelegenheit, den internationalen Druck auf Teheran zu erhöhen, sein geheimes Nuklearprogramm zu beenden. Präsident Obama und seine europäischen Amtskollegen müssen dem iranischen Regime die Botschaft schicken, dass sein Streben nach Atomwaffen inakzeptabel ist und auf starken Widerstand stoßen wird.

Doch seine Wahlniederlage erwies sich als ein massiver, unvorhersehbarer Katalysator für politischen Wandel. Er beförderte das Wachstum einer umfassenden Graswurzel-Bewegung für Demokratie, die die Mullahs und ihre Apparatschiks eines Tages von der Macht vertreiben könnte. Irans ergrauende Wächter blicken nervös und angeschlagen in die Gesichter einer widerspenstigen, relativ jungen Bevölkerung, von der die Hälfte jünger als 25 Jahre ist.

Der Westen sollte die Sanktionen gegen Iran verschärfen

In den kommenden Wochen sollten Washington, London, Berlin und Paris den Weltsicherheitsrat drängen, ökonomische, militärische und politische Sanktionen gegen Teheran zu verschärfen. Der Druck auf Moskau und Peking, diese Maßnahmen zu unterstützen, muss aufrechterhalten werden.

Die ökonomische Macht Irans schwächen

Irans wichtigste Handelspartner in Europa, darunter Deutschland und Italien, sollten darauf abzielen, die ökonomische Macht des iranischen Staates zu schwächen. Die deutschen Exporte nach Iran beliefen sich 2008 auf fast vier Milliarden Euro, und immer noch investieren mehrere tausend deutsche Unternehmen dort.

Italiens Handel mit Teheran beläuft sich auf mehr als sechs Milliarden Euro im Jahr; damit ist das Land Irans stärkster ökonomischer Verbündeter in der EU. Eine gemeinsame Anstrengung von Berlin und Rom, Investitionen und Handel mit Teheran zu stoppen, würde das Regime von Ahmadinedschad schwer treffen.

Die Menschenrechte und die politischen Freiheiten müssen ebenfalls vorne auf der Agenda stehen, wenn der Westen Teheran die Rechnung aufmacht. Der Regierung von Bundeskanzlerin Merkel muss zugebilligt werden, dass sie die Unterdrückung der Proteste sofort verurteilt hat; Frank-Walter Steinmeier sprach schnell von dem "brutalen Vorgehen" der iranischen Sicherheitskräfte.

Tatsächlich fielen die deutschen Erklärungen nach der Wahl weitaus stärker aus als jene, die die Obama-Regierung hervorgebracht hat. Sie scheute nämlich vor der Konfrontation zurück. Einmal also fiel Europas Reaktion heftiger aus als die der Amerikaner.

Der Westen sollte Iran drängen, freie und faire Wahlen abzuhalten, die von der internationalen Gemeinschaft überwacht werden. Es ist von vitaler Bedeutung, dass die freie Welt jenen eine Botschaft der Solidarität sendet, die ihr Leben für die Freiheit aufs Spiel setzen. Schweigen von Seiten der westlichen Regierungen ermutigt Irans Herrscher nur in ihrer Brutalität.

Der Scheinwerfer muss auf die Menschenrechtsverletzungen in Iran gerichtet werden, und die Führer Amerikas und Europas müssen sich klar für die Verteidigung individueller Freiheiten in einem Land aussprechen, in dem mehrere zehn Millionen Menschen unter dem Stiefel der Tyrannei leben.

Wettrüsten verhindern

Außer einem Militäreinsatz gegen Irans Nuklear-Einrichtungen - der eine Option bleiben muss - besteht die größte Hoffnung in der Isolierung von Mahmud Ahmadinedschad und der Unterstützung der jungen Demokratie-Bewegung. Es darf kein nuklear bewaffnetes Iran geben, und ein Wettrüsten im Nahen und Mittleren Osten muss verhindert werden.

Die Antwort des Westens auf die betrügerische Wiederwahl dieses hitzigen Demagogen muss eine Kombination aus schärferen Sanktionen, einem Einfrieren von Investitionen, scharfer Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen sowie Vorbereitungen zu Luftangriffen als letztem Mittel sein.

Präsident Obama und Amerikas Verbündete in Europa müssen die Idee aufgeben, mit einem tyrannischen Regime Verabredungen treffen zu wollen. Es ist dies ein Regime, das sein eigenes Volk brutal behandelt, seine Nachbarn mit Völkermord bedroht, den Einsatz von Terror unterstützt und Atomwaffen haben will. Dies ist die Zeit für Taten, und nicht dafür, mit weichen Knien Appeasement im Angesicht einer höchst gefährlichen Theokratie zu betreiben.

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