Machtkampf in der Ukraine:"Zweifellos Wahlbetrug"

Noch ist er nicht offiziell verkündet, da melden auch EU und OSZE Zweifel an, ob der Wahlsieg des pro-russischen Präsidentschafts-Kandidaten Janukowitsch rechtmäßig zu Stande kam. Unterdessen wird weiter demonstriert.

Angesichts der massiven Kritik am Verlauf des Urnengangs in der Ukraine hat Oppositionsführer Viktor Juschtschenko eine Wiederholung der Stichwahl um das Präsidentenamt vorgeschlagen. Bedingung sei jedoch, dass die Mitglieder der unter Manipulationsverdacht stehenden zentralen Wahlkommission ausgetauscht würden, sagte Juschtschenko laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax.

Machtkampf in der Ukraine: In Kiew demonstrieren Anhänger der Opposition gegen den Wahlausgang.

In Kiew demonstrieren Anhänger der Opposition gegen den Wahlausgang.

(Foto: Foto: Reuters)

Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana warnte wegen der Wahlmanipulationen vor Konsequenzen für die Beziehungen des Landes zur EU. Es gebe "keinen Zweifel" daran, dass die Stimmen im Osten des Landes "auf betrügerische Weise" gezählt wurden, sagte Solana vor dem außenpolitischen Ausschuss des Europaparlaments in Brüssel. Zugleich bekräftigte er seine Forderung nach einer Überprüfung des umstrittenen Wahlergebnisses.

"Nagelprobe" für künftige Beziehungen zur EU

Nachdrücklich warnte Solana vor einer Eskalation in dem osteuropäischen Land. Eine Explosion von Gewalt könne nicht ausgeschlossen werden. Die EU erwarte daher von der ukrainischen Regierung, dass sie die Vorgänge der Präsidentschaftswahl überprüfe. Die Art, wie die Ukraine nun reagiere, sei eine "Nagelprobe" für ihre künftigen Beziehungen zur EU. Grundsätzlich gebe es ein "großes Potenzial" für den Ausbau der Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine. Die "Qualität dieser Beziehung" hänge aber "enorm von der Qualität der Demokratie" in der Ukraine ab.

Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erklärte, die Wahl entspreche nicht internationalen Standards. Das werde Konsequenzen für die Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine haben. Der sich zuspitzende Machtkampf löse in Brüssel große Sorge aus.

Der OSZE-Vorsitzende und bulgarische Außenminister Solomon Passi äußerte "Besorgnis" über die Lage in der Ukraine nach den "wesentlichen Verstößen", die bei der Stichwahl um das Präsidentamt am vergangenen Sonntag verzeichnet worden seien. Passi sei auch besorgt darüber, dass bei der Wahl in der Ukraine "viele der Verpflichtungen" gegenüber der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit "nicht erfüllt werden konnten und ernsthafte Mängel aufgewiesen" worden seien.

Opposition will nicht mit Machthabern verhandeln

Regierung und Opposition in der Ukraine haben sich am Mittwoch weiter unversöhnlich gegenübergestanden. Wenige Stunden vor der geplanten Bekanntgabe des endgültigen Wahlergebnisses schloss die Opposition Verhandlungen mit den Machthabern aus, sofern es dabei nicht um die Modalitäten der Machtübergabe an Oppositionsführer Viktor Juschtschenko gehe.

Regierungskandidat Viktor Janukowitsch, der von der Wahlkommission schon nach dem vorläufigen Ergebnis zum Sieger erklärt wurde, zeigte sich nicht zu Zugeständnissen bereit und betonte, er werde nur die "legitimen Entscheidungen" der Wahlkommission anerkennen.

Trotz tagelanger Massendemonstrationen erklärte Janukowitsch die Lage für normal und unter Kontrolle: "Es ereignet sich nichts Ungewöhnliches. Die Leute müssen ganz normal ihr Leben leben. Wir müssen unsere verfassungsmäßigen Aufgaben erfüllen und garantieren, dass die Regierung normal arbeitet."

Uneinigkeit in der Wahlkommission

Die zentrale Wahlkommission kündigte an, sie wolle das endgültige Wahlergebnis am Nachmittag (15.00 Uhr MEZ) bekannt geben. Nach Auszählung fast aller Stimmen führe Janukowitsch mit fast drei Prozentpunkten Vorsprung vor Oppositionsführer Viktor Juschtschenko, sagte eine Sprecherin. Bereits am Montag hatte die Wahlkommission erklärt, der Sieg bei der Stichwahl um die Präsidentschaft am Sonntag sei Regierungschef Janukowitsch nicht mehr zu nehmen.

Zwei Mitglieder der Wahlkommission haben ihre 13 Kollegen aufgefordert, das Dokument zur Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses nicht zu unterzeichnen, weil es bei dem Urnengang zu Verstößen gekommen sei. Der Sitz der Kommission war am Mittwoch von Dutzenden Lastwagen blockiert. Mehr als 150 ukrainische Diplomaten weltweit stellten sich offen auf die Seite der Opposition.

Keine Truppenverlegung nach Kiew

Verteidigungsminister Kusmuk wies Gerüchte zurück, die Armee ziehe Panzer vor der Hauptstadt Kiew auf. Er forderte die Armee auf, "Ruhe zu bewahren und in maßvoller Weise zu handeln". Juschtschenko warf der Regierung vor, sie plane den Einsatz von Gewalt, um die Massenproteste gegen das Wahlergebnis niederzuschlagen. In einer Erklärung rief er die Armee und die Polizei auf, keine Gewalt gegen die Anhänger der Opposition anzuwenden.

Die ukrainische Opposition um ihren pro-westlichen Kandidaten Juschtschenko hatte das verkündete Ergebnis nicht anerkannt; Juschtschenko erklärte sich selbst zum neuen Staatschef der Ukraine. Seit Anfang der Woche demonstrieren Zehntausende in Kiew gegen die Manipulationen bei dem Urnengang.

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