Machtkampf in der Linken:Lafontaine auf dem Weg zum Allein-Chef

Fundis gegen Realos, West gegen Ost - die Linke im Streit. Setzt sich am Ende Oskar Lafontaine als Allein-Vorsitzender durch?

Thorsten Denkler, Berlin

Es kommt einem mittleren Beben gleich, was sich da gerade in der Partei "Die Linke" ereignet. Ein Beben, das den Anschein erweckt, dass in der Linken längst nicht zusammengewachsen ist, was zusammengehört.

Oskar Lafontaine wird nicht viel Zeit zur Erholung bekommen. Er muss erst einen Machtkampf gewinnen. Foto: rtr

Oskar Lafontaine wird nicht viel Zeit zur Erholung bekommen. Er muss erst einen Machtkampf gewinnen.

(Foto: Foto: Reuters)

Zu unterschiedlich sind offenbar die Welten, die in dieser Partei aufeinanderprallen. Es ist ein Streit, der das Erbe des Oskar Lafontaine ernsthaft in Gefahr bringen kann

Auslöser des Bebens ist Dietmar Bartsch, Bundesgeschäftsführer der Linken. Ein Mann aus dem Osten, der schon 1979 Mitglied der SED wurde, sich nach der Wende aber einen Ruf als pragmatischer Reformer erworben hat. Motto: Macht heißt regieren.

Wütende Briefe an Gysi

Die Chefs der westdeutschen Landesverbände Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg haben ihn jetzt massiv angegriffen. In Briefen an Gregor Gysi, Fraktionschef der Linken im Bundestag, bitten sie darum, Bartsch von einer erneuten Kandidatur als Bundesgeschäftführer auf dem Parteitag im Mai abzubringen. Vielleicht wäre sogar Rücktritt ein angemessener Schritt.

Ihr Ziel: Der dann hoffentlich von seiner Krebserkrankung genesene Oskar Lafontaine soll selbst einen Bundesgeschäftsführer ernennen. Einen, dem er vertraut. Nicht einen, den die Landesverbände im Osten ihm aufdrücken wollen.

Bartsch ist im Westen unten durch. Hier gilt er als einer, der sich als eine Art Nebenvorsitzender für die Ostverbände aufführt. Mit Erfolg. Der Einfluss der Westverbände auf die Partei ist eher vernachlässigbar. Ein echtes Vertrauensverhältnis, sagen Insider, habe zwischen Lafontaine und Bartsch nie existiert.

Die Briefe zeigen, wie tief der Graben zwischen der Partei Ost und der Partei West noch ist. Im Osten werten es einige schon als Affront, dass die Beschwerdebriefe gegen Bartsch an Fraktionschef Gregor Gysi adressiert waren und nicht an die Parteiführung.

Gysi als Brückenbauer

Im Westen aber wird Gysi als einer der wenigen glaubhaften Moderatoren zwischen den gewerkschaftlich geprägten Fundamentaloppositionellen im Westen und den allzeit regierungsbereiten Realos im Osten wahrgenommen.

Mit ersteren kann Geschäftsführer Bartsch wenig anfangen. Während er etwa die neue rot-rote Koalition in Brandenburg verteidigte, schossen die Verbände im Westen quer. Sie wollen nicht einsehen, wie ein Landesverband der Linken einen Koalitionsvertrag unterzeichnen kann, in dem Stellenabbau im öffentlichen Dienst angekündigt wird. Solche Regierungen könnten zu einem Glaubwürdigkeitsproblem für die Wahlkämpfer im Westen werden, wird befürchtet.

Auch Lafontaine hat den Koalitionsvertrag kritisiert. Bartsch hingegen sieht darin ein Signal, die Linke als regierungsfähige Alternative darzustellen, worauf Lafontaine bisher wenig Wert legte. Einigkeit sieht anders aus.

Vom Osten dominiertes Eigenleben

Dass die Partei ein vom Osten dominiertes Eigenleben führt, liegt aber auch an dem einstigen SPD-Chef Lafontaine. Sein Amt als Parteichef hat er bisher kaum ausgefüllt. Manche witzeln, er müsse jedes Mal fragen, wo denn sein Büro liege, wenn er sich mal ins Karl-Liebknecht-Haus verirrt. Der Saarländer konzentrierte sich lieber auf die Aufgaben als Fraktionschef und Wahlkämpfer.

Machtkampf in der Linken: Noch ist er Bundesgeschäftsführer der Linken: Dietmar Bartsch

Noch ist er Bundesgeschäftsführer der Linken: Dietmar Bartsch

(Foto: Foto: AP)

Die Partei überließ er weitgehend seinem Co-Vorsitzenden Lothar Bisky - und eben Dietmar Bartsch.

Von Mai an soll sich das alles ändern. Lafontaine wird - so es seine Gesundheit zulässt - zunächst alleiniger Parteichef werden. Den Fraktionsvorsitz hat er bereits kurz nach der Bundestagswahl aufgegeben. Das haben andere als den Startschuss einer Nachfolgedebatte missgedeutet.

Einer der Wortführer: Bodo Ramelow, der Beinahe-Ministerpräsident von Thüringen. Er hatte sich sogar verstiegen zu der Aussage, er könne die Partei zur Not auch von Erfurt aus führen. Und das zu einem Zeitpunkt, als gerade die Krebserkrankung Lafontaines publik wurde. Im Westen haben ihm das viele übel genommen.

Der Wortführer Bodo Ramelow

Bartsch hat nicht allzu viel getan, um Ramelow in die Schranken zu weisen. Stattdessen stellte er der Linken in Nordrhein-Westfalen via Bild-Zeitung das Attest "nicht regierungsfähig" aus, was die Genossen an Rhein und Ruhr ziemlich aus der Fassung brachte. Anfang Mai wird dort der Landtag neu gewählt.

Nicht allein die öffentliche Kritik war das Problem, sondern wohl auch der Umstand, dass Bartsch mit der Bild die intern als "BBP" umschriebene "böse bürgerliche Presse" als Vehikel nutzte.

Die Westverbände hat auch verunsichert, dass die Ostverbände Lafontaines Vorschlag einer doppelten Doppelspitze für Partei und Fraktion ablehnen. Lafontaine wollte neben sich eine Frau aus dem Osten als Parteichefin installieren und neben Gysi eine Frau aus dem Westen als zweite Fraktionschefin.

Hinter der Ablehnung vermuten manche im Westen ein Komplott von Bartsch und/oder Ramelow. Beiden werden Ambitionen auf den Parteivorsitz nachgesagt. Mit einer Doppelspitze würden ihre Karriereträume womöglich platzen. Sollte sich Lafontaine in einigen Jahren zurückziehen, müsste für ihn ein Mann aus dem Westen kommen. Eine Vorfestlegung, die die Ostverbände sich offenbar nicht gefallen lassen wollen.

Dietmar Bartsch hat jetzt klargestellt: "Ich trete nicht zurück. Punkt." Als ob das noch die Frage wäre. Entscheidender nämlich ist, ob er auf dem Bundesparteitag Mitte Mai in Rostock noch mal antreten kann. Im Westen wird kolportiert, dass Bartsch nicht gegen den Willen Lafontaines Bundesgeschäftsführer bleiben kann.

Von Linken aus dem Osten heißt es, ohne Bartsch gehe es nicht. Er ist für sie Gewährsmann, dass ihre Interessen in der Partei gewahrt bleiben. Sie sind Lafontaine dankbar, ohne ihn wäre die Linke heute nicht so groß - aber sie haben auch nichts übrig für den Personenkult, der im Westen um den Ex-Finanzminister betrieben wird. Er sei ja ein guter Politikverkäufer, sagt einer. Aber das heißt nicht, dass er gleich die ganze Macht über die Partei haben müsse.

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