Süddeutsche Zeitung

Machtkampf in der AfD:"Arbeitet so nicht die Mafia?"

Was ist los bei der AfD? Bundeschef Lucke fordert Hessen-Chef Bartz zum Rücktritt auf - und droht ihm offenbar, eine Veröffentlichung von Gerüchten über ihn könne sich auf dessen Frau und Kinder auswirken. Die Familie wehrt sich, der Partei drohen härtere Kämpfe.

Von Oliver Das Gupta

"Mut zur Wahrheit" verspricht die Alternative für Deutschland (AfD) auf ihren Plakaten. Doch an der Ehrlichkeit innerhalb der Euro-kritischen Partei hapert es offenbar. Seit der Bundestagswahl im Herbst versinkt die AfD in einer Melange aus Intrigen, Eklats und Anfeindungen.

Momentan steht der etwa 2000 Mitglieder starke hessische Landesverband im Zentrum der Machtkämpfe. Dort wurde erst kurz vor Weihnachten der Landesvorstand gewählt. Nun zerlegt sich das Gremium mit Hilfe der Bundesspitze. Einen Tag nach der Weihnachtsruhe droht Bundesparteisprecher Bernd Lucke in der Frankfurter Allgemeinen dem hessischen Landeschef Volker Bartz mit der Entmachtung beim nächsten Parteitag. Der Grund: Bartz habe bislang den Nachweis der von ihm geführten Professoren- und Doktortitel nicht erbracht.

Außerdem zitiert die Zeitung aus einer Mail von Lucke an Bartz, in der er ihn zum Rücktritt auffordert. Der Parteichef legt dem Funktionär nahe, auch an seine Familie zu denken. Lucke erwähnt Informationen über angebliche berufliche Verfehlungen von Bartz, die ihm zugespielt worden seien. Die Vorwürfe könnten "gravierender" werden, schreibt der Parteichef der FAZ zufolge. Eine "öffentliche Beschädigung" könnte sich auswirken auf die Frau von Bartz und seine Kinder.

Bartz' Antwort ist ein Zitat seiner Frau: "Arbeitet so nicht die Mafia?" Ansonsten bestreitet der Parteikader jegliche beruflichen Verfehlungen. Stattdessen nennt er Lucke einen "Inquisitor", wirft seiner Partei "Stasi-Methoden" vor und keilt zurück: "Diese Machenschaften hätte Franz Josef Strauß wohl als hinterfotzig betitelt." Kabale und Hiebe zu Weihnachten bei der Alternative für Deutschland.

Landesschatzmeister flog nach wenigen Tagen aus dem Amt

Ausgerechnet Hessen. Dort war die AfD durch einen FDP-Überläufer in der letzten Legislaturperiode zu einem ersten eigenen Landtagsabgeordneten gekommen. Dort war sie bei der Landtagswahl aus dem Stand auf 4,1 Prozent gekommen.

Die Vorfälle machen klar, dass die AfD nach den Wahlen in Hessen und im Bund nun mit Macht von Richtungsstreitigkeiten erfasst wird. Semikonspirativ bildeten sich unter anderem Kreise, die die Partei auf einen strammen anti-islamischen Kurs trimmen wollen.

Ende November kam es bei der AfD Hessen zum Eklat auf dem Gießener Landesparteitag. Bei den Vorstandswahlen verließen so viele Mitglieder den Saal, dass der Parteitag nicht mehr beschlussfähig war. Danach wurde ein Not-Vorstand installiert. Keine Woche nach Amtsantritt wurde dann Landesschatzmeister Peter Ziemann seines Amtes enthoben. Der Mann soll unter anderem Migranten als "Ungeziefer" bezeichnet haben. Im Internet finden sich noch krude Artikel, in denen er Rechtsextreme wie die französische Nationalistenführerin Marine Le Pen würdigt und in denen er von einem "monetären Stalingrad" schwadroniert.

Das "Schicksal der Herdentiere und Euro-Politiker" bebildert er mit einer Schlachthof-Szene - und mit durch Hitlers Wehrmacht aufgehängte Russen; Ziemann verwendete dieses Foto des Bundesarchivs. Das politische System der Bundesrepublik sieht Ziemann als "Sozialismus, der sich Demokratie schimpft". Es muss "das gleiche Schicksal wie der Ostblock erleiden" - also untergehen. (Hier mehr zu Ziemanns Einlassungen...)

Lucke: AfD erneuert sich selbst, Presse übertreibt Probleme

Landeschef Bartz bezeichnete Ziemanns Äußerungen als "philosophisch interessant". Die Kraftprobe mit Parteichef Lucke am 11. Januar könnte Bartz verlieren. Beim Mitgliederparteitag in der Mehrzweckhalle Allendorf bei Gießen wird unter anderem ein Nachfolger für den geschassten Schatzmeister Ziemann gewählt - und möglicherweise auch ein neuer Landesparteichef.

Lucke versucht derweil im FAZ-Interview die Selbstzerfleischung seiner Partei zu bagatellisieren. Die Presse hat für ihn Schuld am desolaten Bild, das die Alternative für Deutschland seit Monaten abgibt: "In der öffentlichen Wahrnehmung wird die Bedeutung der Probleme übertrieben, weil die Medien sich auf alles stürzen, was nach Streit riecht."

Die AfD befinde sich in einem Prozess der Selbsterneuerung, sagt Lucke. Parteimitglieder, die nicht teamfähig seien oder "schrullige Ansichten" verträten, würden abgewählt oder nicht ernst genommen. So einfach ist das bei der AfD.

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