Der General hat resigniert. So scheint es zumindest. John Kelly hat kapituliert vor der Mission, mit der er einst angetreten ist. Ruhe und Ordnung wollte er in das chaotische Weiße Haus von Donald Trump bringen. Doch nach einem Jahr als Stabschef des US-Präsidenten schwitzt der einst respektierte Militärboss frühmorgens lieber im Fitnessstudio, als im Büro aufzutauchen.
Seinen Job scheint er nur noch pro forma zu machen, berichten verschiedene US-Medien. Dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Verblassen von Kellys Stern und dem Wiedererstarken von Trump-Tochter Ivanka und Trump-Schwiegersohn Jared Kushner gibt, mag in Washington kaum einer bezweifeln.
Mit seiner Hilflosigkeit gegen das Chaos im Weißen Haus ist Kelly nicht allein. Schon sein Vorgänger Reince Priebus schaffte es nicht, der Mannschaft im Westflügel Disziplin beizubringen. Doch von dem General hatten sich die politischen Beobachter wesentlich mehr erwartet.
Anfangs war Kelly auch erfolgreich. Eine seiner ersten Amtshandlungen nach Dienstantritt im Juli 2017 war es, den Zugang zum Präsidenten einzuschränken. Gingen die Mitarbeiter bis dahin im Oval Office ein und aus, wie ihnen beliebte, war Kelly daran gelegen, den ungefilterten Informationsfluss zu Trump zu limitieren. Auch Trump-Tochter Ivanka und Schwiegersohn Jared Kushner sollten, so stellte Kelly sich das vor, direkt an ihn als Stabschef berichten. Nicht an das Familienoberhaupt, den Präsidenten.
Im März sah es nach einem Showdown aus
Insider erzählten alsbald von Spannungen zwischen Kelly und dem Ehepaar. "Javanka", wie das Pärchen im Weißen Haus auch genannt wird, sah sich von Kelly attackiert und gegängelt. Kelly wiederum war verärgert, weil sich die beiden überall einmischten und sich für alles zuständig fühlten.
Was die New-York-Times-Journalistin Maggie Haberman dann aber im März 2018 berichtete, klang nach veritablem Showdown. Der Präsident würde versuchen, Ivanka und Jared mit Hilfe von Kelly aus dem Weißen Haus zu drängen. Heimlich, hinter deren Rücken. Kushner hatte seit einiger Zeit massive Probleme. Bei den Russlandermittlungen wurde seine Rolle während des Wahlkampfes eingehend beleuchtet. Er wurde vor den Untersuchungsausschuss im Senat geladen, um auszusagen.
Außerdem war Kushner wegen Geschäften mit China und Israel, die nach Vorteilsannahme und Spezlwirtschaft klingen, ins Zwielicht geraten. Ende Februar wurde ihm zudem der Zugang zu Regierungsinformationen mit höchster Geheimhaltungsstufe entzogen, weil er im Zuge seiner polizeilichen Überprüfung dem Geheimdienst gegenüber falsche und unvollständige Angaben gemacht hatte.
Viele politische Akteure zeigten sich zudem enttäuscht vom Ehepaar Kushner. Klimaaktivisten etwa, weil sie den US-Präsidenten nicht davon abhielten, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen auszusteigen. Die Palästinenser, wegen der Pro-Israel-Politik des zum Friedensverhandler ernannten Kushner. Selbst manche Republikaner, weil sie nicht die erhoffte mäßigende Wirkung auf Trump haben.
Der einst schon als zweitmächtigster Mann im Weißen Haus gehandelte Kushner war angezählt. Sein Image hatte enorm gelitten. Die negative Berichterstattung häufte sich. Und Kelly fragte sich laut, was Ivanka und Jared eigentlich den ganzen Tag machen.
Trump, frustriert über die Situation, sollte es plötzlich für besser halten, wenn das Ehepaar nach New York zurückkehren würde, wurde kolportiert. Kelly, der - nach Vorwürfen von häuslicher Gewalt gegen den Regierungsmitarbeiter Robert Porter - beim Zugang zu geheimen Regierungsinformationen nun strenger durchgreifen wollte, sollte Trump womöglich helfen, die beiden loszuwerden.