Machtgerangel bei der FDP:"Einige stellen ihr Ego über die liberale Idee"

Die Lage der FDP ist dramatisch, die Basis frustriert. Umso erstaunlicher ist es, dass die vielbeschworene "Geschlossenheit" der Liberalen durch Spielchen diverser Art unterminiert wird - der Frankfurter Parteitag zeigt es.

Oliver Das Gupta, Frankfurt am Main

Sonntagmorgen in Frankfurt, in der Nähe des Messegeländes. Einsam steht ein älterer FDP-Delegierter vor seinem Hotel und hadert. Einsam ist er, weil seine Parteifreunde die schmucke Herberge meiden, obwohl es nur fünf Minuten zu Fuß bis zum Parteitag sind. Das Hotel heißt Mövenpick - ein Name, der Liberalen bitter aufstößt.

Ausserordentlicher FDP-Bundesparteitag

Philipp Rösler darf als Parteichef nicht scheitern - das würde die FDP wohl nicht überleben. Seine Parteikollegen Rainer Brüderle und Guido Westerwelle nehmen darauf allerdings wenig Rücksicht.

(Foto: dapd)

Er steht für die verunglückte schwarz-gelbe Steuererleichterung für Hoteliers. Als bekannt wurde, dass ein Mövenpick-Eigentümer den Freidemokraten großzügig spendete, war das Getöse groß. Die Opposition gab der FDP den Spottnamen "Mövenpick-Partei".

Der Delegierte nächtigte trotzdem in dem Hotel, ihn wurmen andere Dinge. Der Koalitionsvertrag, in dem zu wenig Liberales fixiert ist, die nicht eingelösten Wahlversprechen. Was den Mann noch aufregt: Die Parteioberen arbeiteten gegeneinander, statt an einem Strang zu ziehen. Obwohl die Partei in den Abgrund blickt. Obwohl die Liberalen durch die Bank frustriert sind. Obwohl manche gar einen Putsch der Euro-Skeptiker um Frank Schäffler fürchteten.

Diejenigen, die den Euro-Kurs der Parteiführung stützen, sind sich einig: Philipp Rösler darf als Parteichef nicht scheitern. Denn noch einen Wechsel im Vorsitz überlebt die FDP voraussichtlich nicht. Umso erstaunlicher ist es, dass die vielbeschworene "Geschlossenheit" der Partei immer wieder durch Spielchen diverser Art unterminiert wird.

Brüderle übertönt den Chef

Ein Protagonist ist Rainer Brüderle. Der Bundestagsfraktionschef gilt seit Monaten als Schattenvorsitzender, als der Mann, der vor allem im der FDP-Wirtschaftspolitik den Takt vorgibt. Offiziell wird abgewunken - der Vorsitzende heiße Philipp Rösler, er ist Wirtschaftsminister, er gebe die Linie vor. Und so weiter.

Doch Brüderle selbst sorgt dafür, dass dieser Ruf kultiviert wird. Am Tag vor Beginn des Frankfurter Konvents veröffentlicht er mit Finanzexperte Hermann Otto Solms ein Papier zur Regulierung der Finanzmärkte. "Warum steht da nicht wenigstens Röslers Name neben denen von Solms und Brüderle?", fragt ein junger Bundestagsabgeordneter.

Ein weiteres Beispiel sind die Auftritte von Rösler und Brüderle am Samstag. Markig hatte der Parteichef eine Grundsatzrede angekündigt, heraus kam eine 50-minütige Streicheleinheit. "Er hat keine Gräben aufgerissen", sagte der liberale Parteiveteran, Ex-Innenminister von NRW und Schäffler-Befürworter Burkhard Hirsch anschließend.

Röslers Ansprache enthielt abgesehen von ein paar Witzen über SPD-Chef Sigmar Gabriels Körpergewicht und der Linken Sahra Wagenknechts Schönheit nichts Knalliges. Das lieferte dann Brüderle in sieben Minuten. Er schrie Eurobonds seien Sozialismus - und die Leute riss es von den Stühlen. Hinterher streuten einige das Gerücht, Brüderle hätte sich sogar noch zurückgehalten - um Rösler nicht alt aussehen zu lassen.

Westerwelle gibt den Anti-Rösler

Auch Ex-Parteichef Guido Westerwelle schaltete sich in die Debatte um den Euro-Rettungsschirm ein und gab den Anti-Rösler: Aggressiv schleuderte der Außenminister den Betreibern des Mitgliederentscheids um Schäffler Wortkaskaden entgegen, Westerwelle glühte regelrecht vor Europa-Pathos. Wieder Jubel, wieder Johlen. Nicht wenige Liberale hätten sich gewünscht, dass Rösler nach einem sanften Beginn ebenso donnert.

Andere meinen, Westerwelles Kraftmeierei habe die FDP erst in diese Situation gebracht. Die Jungen beäugen die Alten, denn bei der nächsten Wahl sind sichere Listenplätze wohl rar - wenn die FDP es überhaupt über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen sollte. Das gegenseitige Misstrauen sitzt jedenfalls tief und gedeiht.

Am Samstagmorgen etwa sorgte ein von Westerwelle unterstützter Antrag zu Europa im Parteivorstand für Irritationen. Einige waren überrascht: Denn ursprünglich plante die Parteiführung, die heikle Samstags-Debatte zur Euro-Rettung ohne Antrag laufen zu lassen. Manche argwöhnten, der Ex-Vorsitzende wollte seinen Nachfolger düpieren. Andere, die dabei waren, geben Entwarnung: Das Papier sei nur vorbereitet für den Fall, dass Schäffler mit einem eigenen Antrag kommt.

Die Delegierten nehmen das alles zur Kenntnis, sie rätseln woher das Misstrauen kommt. Da ist viel von erlittenen "Verletzungen" die Rede, von der Angst um das politische Überleben und vor der Prägung der Ära Westerwelle: "Vielleicht liegt es daran, dass sie in den letzten Jahren immer diszipliniert waren und nun wollen sie nicht zurückstecken, nur um Geschlossenheit zu demonstrieren", meint eine Abgeordnete. Ein anderer Liberaler sagt: "Einige stellen ihr Ego über die liberale Idee."

Die Arbeit fängt erst an

So geht der Parteitag zu Ende. Vorne wird Bildung diskutiert, dann spricht Generalsekretär Christian Lindner sein Schlusswort. Hinten, wo es Kaffee, Kuchen und Frankfurter Würstchen gibt, verfolgt man die Reden und redet. Über eine mögliche Parteispaltung, falls Schäffler durchkommt. Über unfaire Berichterstattung. Über das "Kraftzentrum" Brüderle, der ja auch seinen Platz haben solle. Über eine Pressekonferenz, die Guido Westerwelle just nach Beginn des Parteitags abhielt - als die Dringlichkeitsanträge vorgetragen wurden.

Sie werde mit Hoffnung im Herzen aus Frankfurt wegfahren, sagt die junge Liberale, Rösler habe die richtigen Worte gewählt. Dem Parteichef gehören die letzten Minuten des Parteitags. Rösler will das letzte Wort haben und er betreibt erneut Seelenmassage: Viele seien mit einem "unguten Gefühl" angereist, ruft er, aber dieses Gefühl habe sich als unbegründet herausgestellt. Man habe doch "offen und ehrlich miteinander diskutiert". Nun dürfe man sich nicht länger demütigen lassen, sondern müsse rausgehen und kämpfen.

Wolfgang Gerhard hat schon seinen Mantel an, er verfolgt die Rede über einen der Monitore. Der frühere Parteichef, der einst von seinem Generalsekretär Westerwelle abserviert wurde, lobt, dass Rösler hier in Frankfurt am Main selbstkritisch gesprochen habe.

Ob dieser Parteitag der Wendepunkt sei? Gerhard kneift die Augen zusammen und sagt: "Die harte Arbeit steht uns bevor."

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