Süddeutsche Zeitung

Libyen:Auf der Suche nach Wegen aus dem Bürgerkrieg

Bundesaußenminister Heiko Maas fordert im UN-Sicherheitsrat den Abzug ausländischer Söldner aus dem nordafrikanischen Land.

Von Daniel Brössler, New York

Das zeitliche Zusammentreffen ist Zufall, aber es kommt auch nicht ungelegen. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag in Washington ihren Abschiedsbesuch absolviert, wird in New York über eines der außenpolitischen Projekte verhandelt, die idealerweise über ihre Amtszeit hinauswirken sollen. Merkel hatte im Januar 2020 Staats- und Regierungschefs aus etwa 20 Staaten zu einer Libyen-Konferenz geladen. Sie sollten Wege zur Befriedung des libyschen Bürgerkriegs finden, in dem von außen Türken, Russen, Ägypter und andere mitmischen. "Im Laufe des letzten Jahres hat Libyen auf dem Weg hin zu Frieden und Einheit viel erreicht", verkündet Außenminister Heiko Maas (SPD) nun auf einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates, die sich der Lage in dem nordafrikanischen Bürgerkriegsland widmet.

Deutschland ist zwar derzeit nicht Mitglied des Gremiums, auf Einladung des französisches Außenministers Jean-Yves Le Drian kann Maas aber das Wort ergreifen. Die Fortschritte seien den "Libyerinnen und Libyern zu verdanken, die die Zukunft ihres Landes selbst in die Hand nehmen wollen", sagt Maas, aber eben auch "denjenigen, die Libyen auf internationaler Ebene unterstützen und zusammenarbeiten, auch im Rahmen des Berliner Prozesses". Merkel und Maas waren mit der Konferenz ins Risiko gegangen; nun ist der Außenminister nicht zu bescheiden, um erste Fortschritte zu reklamieren.

Wie fragil diese Fortschritte sind, hatte sich allerdings schon im Juni während der zweiten Berliner Libyen-Konferenz gezeigt, zu der Maas ins Auswärtige Amt geladen hatte. Es gebe weiterhin erhebliche interne Konflikte, betonte dort der libysche Übergangspremier Abdulhamid Dbeibah, den der deutsche Außenminister vor der Sitzung des Sicherheitsrates in der libyschen UN-Vertretung getroffen hat. Zwar gibt es eine Waffenruhe und mit dem 24. Dezember 2021 auch einen Termin für Wahlen, aber auf beides ist wenig Verlass. Dbeibah habe ihm zugesichert, "dass er alles dafür tun wird, dass diese Wahlen stattfinden", sagt Maas. Würden sie verschoben, liefere das einen Vorwand, "wieder die Waffen sprechen zu lassen", warnt der Minister.

"Letztlich steht und fällt der ganze Prozess mit den Wahlen, die am 24. Dezember stattfinden sollen", beschreibt Maas kurz vor der Sitzung des Sicherheitsrates die Lage. Tatsächlich sieht es derzeit eher nicht danach aus, dass die Voraussetzungen für Wahlen im chaotischen libyschen Staatsgefüge rechtzeitig geschaffen werden können. Und auch bei einem der Hauptziele des "Berliner Prozesses", dem Abzug ausländischer Söldner und Soldaten, ist noch nichts wirklich erreicht.

Bisher hat noch keine der Mächte, die in Libyen mitmischen, ihre bewaffneten Kräfte zurückgepfiffen. Maas äußert deshalb in New York die Hoffnung, dass zumindest erste Söldner aus Syrien, die auf beiden Seiten kämpfen, bald zurückgezogen werden. Es herrsche doch "weitreichende Einigkeit darüber, dass alle ausländischen Kämpfer, Kräfte und Söldner das Land verlassen" müssten, appelliert Maas im Sicherheitsrat. "Wir müssen jetzt einen Weg finden, damit dies umgesetzt wird - ohne jegliche Verzögerung", sagt er. Das richtet sich insbesondere an die Türkei und Russland.

Die Situation in Libyen spanne sich wieder an, warnt der UN-Beauftragte Jan Kubiš, der gerade von einer Reise ins Land zurückgekehrt ist. Vieles sei ungeklärt, was zur Vorbereitung der Wahl im Dezember nötig sei. Das gelte etwa für die Fragen, ob Auslands-Libyer wählen dürften und ob der Präsident durch eine Direktwahl bestimmt werden soll. Kubiš zeigt sich "zutiefst besorgt", spricht offen von "Obstruktion". Alle Beteiligten hätten ihm zwar den Willen zur Durchführung der Wahlen zugesichert. Er bezweifle aber, "ob den Worten Taten folgen". Wenn es nun nicht schnell Lösungen gebe, bedrohe das die positiven Entwicklungen der vergangenen Monate. "Die anhaltende Anwesenheit ausländischer Söldner und Kämpfer gefährdet den Waffenstillstand", klagt der slowakische Diplomat. Und er appelliert: "Konkrete Schritte sind jetzt nötig."

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