Heiko Maas:Der etwas andere Außenminister

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Heiko Maas ist erst seit wenigen Monaten im Amt. Sein russischer Kollege Sergej Lawrow dagegen bewegt sich schon seit Jahren auf der internationalen Bühne. (Foto: dpa)
  • Außenminister Heiko Maas unterscheidet sich deutlich von seinen Vorgängern. Aber er hat es zum beliebtesten deutschen Spitzenpolitiker gebracht.
  • Maas hat seine Politik auf ein moralisches Fundament gestellt. "Wegen Auschwitz" sei er in die Politik gegangen.
  • In der Europapolitik hat Maas allerdings wenig zu melden. Er ist nicht der erste Außenminister, der damit zu kämpfen hat.

Von Daniel Brössler

Es ist heiß, es ist stickig, und irgendwann reicht es Heiko Maas. Im wenig belüfteten "Raum für Debatten" der Nationalgalerie von Skopje geht es um die Frage "Warum Europa?". Maas hat an der Seite seines mazedonischen Kollegen geduldig einer verzweigten Einführung des Moderators gelauscht, etliche Co-Referate aus dem Publikum verfolgt und soll nun nach mehr als einer Stunde zum wiederholten Male erläutern, was die Mazedonier anders, besser oder schneller machen können, damit es nächstes Jahr klappt mit dem Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen. "Ich bin der deutsche Außenminister", hebt er gereizt an, "als deutscher Außenminister muss man aufpassen, was man sagt. Aufpassen, was man tut. Und sogar aufpassen, was man anzieht."

Der SPD-Mann ist jetzt seit einem halben Jahr Bundesaußenminister. Während seiner Balkanreise wird er 52. Es gibt drei Mal Torte; morgens in Skopje, mittags in Tirana und abends in Athen. Maas ist ein hofierter Mann; er steht auf dem Höhepunkt seiner bisherigen politischen Laufbahn. Aber gerade jetzt und hier im "Raum für Debatten" klingt er, als sei er schon hinabgestiegen in die Mühen der Ebene. Er komme "nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern mit der ausgestreckten Hand". So kriegt er zwar die diplomatische Kurve, aber Maas möchte erkennbar an die Luft. Auf Twitter gab's eben ein Bild, das Maas mit seinem mazedonischen Kollegen Nikola Dimitrov beim Bier in der Altstadt von Skopje zeigt, während in Berlin wieder mal die große Koalition trudelt. "Wenigstens einer hat Spaß", hat Jan Böhmermann dazu geschrieben.

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Hat Maas seinen Spaß? Merkels vierter Außenminister unterscheidet sich deutlich von seinen Vorgängern. Ihm geht die sonore Gewichtigkeit eines Frank-Walter Steinmeier ab, das Auftrumpfende von Guido Westerwelle und auch das überbordende Selbstbewusstsein des Sigmar Gabriel. Heiko Maas füllt einen Raum nicht auf Anhieb mit seiner Präsenz, was besonders augenfällig wird, wenn er zum Beispiel in der Regierungszentrale von Tirana verspricht, Albanien werde sich auch künftig "auf Deutschland verlassen können". Da steht der schmächtige Triathlet neben dem hünenhaften Ministerpräsidenten Edi Rama, einem Ex-Basketballspieler, der zum dunklen Anzug weiße Chucks trägt. In der Ära der Großkotze macht Maas als Außenminister eine interessante Figur.

Als die SPD-Spitzen Andrea Nahles und Olaf Scholz den bisherigen Justizminister und außenpolitischen Laien Maas zum Außenminister machten, war das ein Experiment, das zumindest in einer Hinsicht bereits aufgegangen zu sein scheint. Laut ARD-Deutschlandtrend ist Maas der beliebteste Politiker der Republik. Mass selbst beschreibt, als er auf der Dachterrasse des deutschen Botschafters in Bukarest danach gefragt wird, diese ersten Monate als "aufregend". Man lerne ja nicht nur viel über die Welt, sagt er, sondern auch über Deutschland und wie es gesehen werde. Maas gewinnt die Herzen der Menschen, so viel lässt sich sagen, nicht mit überbordendem Temperament. Aber womit?

Im Außenministerium in Skopje wird Maas nach dem Chaos in der Koalition und in seiner Partei gefragt, die auf die Beförderung von Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen zum Innenstaatssekretär gefolgt ist. Eine Frage sei das, die er im Ausland nicht beantworten wolle, sagt er, bevor er sie dann beantwortet: "Wir sind gut beraten, uns innerhalb der Bundesregierung um die Probleme zu kümmern, die die Menschen in Deutschland bewegen und die uns in der Welt bewegen." Dann verweist er auf die vorläufig noch abgewendete humanitäre Katastrophe im nordsyrischen Idlib. Es ist eine banale, aber nicht falsche Erklärung für die Popularität fast jedes Chefdiplomaten, dass er weit weg von den Niederungen des innenpolitischen Streits schwebt. Hoch droben, dort, wo die wahren Probleme zu lösen sind.

Für Maas gilt das vielleicht sogar in besonderer Weise, denn er hat seine Amtszeit von Anfang an auf ein moralisches Fundament gestellt. Er hat betont, "wegen Auschwitz" in die Politik gegangen zu sein, und dies mit einer besonders behutsamen Antrittsvisite in Israel wie auch mit einem Besuch des früheren deutschen Konzentrationslagers unterstrichen. Er vollzog auch etwas, das zumindest viele in der eigenen Partei als Schwenk empfunden haben. Er beklagte, Russland agiere "zunehmend feindselig" und schlug auch sonst schärfere Töne gegenüber Moskau an. Weder über die Annexion der Krim noch über die Vergiftung der Skripals durch einen Kampfstoff war er bereit hinwegzusehen. Viele Genossen sahen darin eine Abkehr von der Ostpolitik in der Tradition von Willy Brandt; Maas musste sich rechtfertigen, nahm aber nichts zurück.

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(Foto: Fabrizio Bensch/REUTERS)

Heiko Maas hat es nun mit internationalen Schwergewichten wie dem russischen Dauer-Außenminister Sergej Lawrow zu tun.

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(Foto: Pavel Golovkin/REUTERS)

Selbstbewusst, wer auch immer da kommt: Sigmar Gabriel flachst mit Russlands Präsident Wladimir Putin.

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(Foto: S. Sabawoon/dpa)

Von 2009 bis 2013 Chef des Auswärtigen Amts: Guido Westerwelle (2. von rechts), hier mit afghanischen Politikern bei Beratungen in Kabul.

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(Foto: Gary Cameron/Reuters)

Frank-Walter Steinmeier, hier mit seinem damaligen US-Kollegen John Kerry, war gleich zwei mal Außenminister.

Er hat auch scharfe Kritik an US-Präsident Donald Trump geübt und gefordert, "rote Linien" gegenüber den Vereinigten Staaten zu ziehen. Es gelte zu erhalten, "was wir als regelbasierte internationale Ordnung bezeichnen", fordert Maas. Er sagt, was gesagt werden muss.

Dabei fällt gar nicht immer gleich auf, dass Maas als Außenminister nicht das erste und schon gar nicht das letzte Wort hat in dieser Bundesregierung. Als es kürzlich darum ging, ob Deutschland sich im Falle eines weiteren Giftgaseinsatzes in Syrien an einer Militäraktion von Amerikanern, Briten und Franzosen beteiligen würde,versuchte SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles umgehend, die Debatte rasch zu beenden. Im Bundestag sagte sie, das Völkerrecht kenne "aus gutem Grund kein Recht auf militärische Vergeltung und schon gar nicht durch einen Staat oder durch eine irgendwie zusammengestellte Koalition". Maas war nicht glücklich darüber, weil es die Drohkulisse gegenüber dem Syrer Baschar al-Assad schwächte. Im Bundestag versuchte er, behutsam gegenzusteuern. Man werde die Frage beantworten, sagte er, "wenn sie uns gestellt wird". Dennoch blieb es einer jener Momente, in denen sich Kräfteverhältnisse deutlich zeigen. Maas ist anders als viele Vorgänger weder Parteichef noch Vizekanzler. Als der Auswärtige Ausschuss ihn zu seiner Haltung in Sachen Idlib befragen wollte, hatte er keine Zeit. "Keine starke Woche" für Maas sei das gewesen, resümierte der Ausschussvorsitzende Norbert Röttgen von der CDU.

Maas sei "gut gestartet" und habe "sich von so manchen Altlasten seiner Vorgänger etwa in der Russland-Politik sauber getrennt", räumt der Grüne Omid Nouripour ein. Doch es reiche "langsam nicht mehr, nur gute Reden zu halten". Den Druck, nun konkrete Politik aufzusetzen auf das moralische Fundament, bekommt Maas nicht nur von der Opposition zu spüren. Als Maas kürzlich bei der Botschafterkonferenz im Weltsaal des Auswärtigen Amtes noch einmal seine Parole wiederholte, gegen "America first" helfe nur "Europe United" war das vielen im gefürchtet kritischen Publikum zu unkonkret. Bei einer Europarede ist Maas vor einiger Zeit durchaus ins Detail gegangen, doch die hatte wenig Widerhall gefunden. Seit Inkrafttreten des Lissaboner Vertrages haben Außenminister wenig zu melden in der Europapolitik. Maas ist nicht der erste Außenminister, der damit zu kämpfen hat.

Andererseits steht der Außenminister in der Öffentlichkeit unter einem geringeren Erwartungsdruck als die Kabinettskollegen. Niemand erwartet von Maas, im Alleingang das Atomabkommen mit Iran zu retten, Frieden in Syrien zu stiften oder die Lage in der Ost-Ukraine zu beruhigen. Sein Problem besteht eher darin, deutsches Wünschen und die Wirklichkeit in der Welt zusammenzubringen. Maas ist den weiten Weg nach Tokio gereist, um eine "Allianz der Multilateralisten" auszurufen. Das soll eine Antwort sein auf den polternden Abschied der USA von Klimaabkommen, Iran-Deal und fairem Freihandel.

Zu den Ländern, die Maas dabeihaben will in seiner Allianz, gehört auch Kanada, doch als die kanadische Außenministerin Chrystia Freeland vor ein paar Wochen in Berlin war, wurde sie enttäuscht. Seit sie in einem Tweet die Verhaftung der Bürgerrechtlerin Samar Badawi kritisiert hatte, wird Kanada geradezu gemobbt von den Saudis. Maas, selbst gerade mit Reparaturarbeiten im Verhältnis zu den Scheichs in Riad beschäftigt, schwieg.

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Nach vier Tagen auf dem Balkan stecken Maas auf dem Rückflug nach Berlin noch ein paar Termine in den Knochen. Er hat in Albanien mit einem Oppositionsführer gesprochen, der sich in einen Wutanfall gesteigert hat über die angeblich durch und durch korrupte Regierung. Er hat feststellen müssen, dass ein Ende des Namensstreites zwischen Mazedonien und Griechenland noch gar nicht sicher ist. In Skopje und Tirana hat er viel Nettes gesagt über die Aussichten für einen Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union nächstes Jahr, aber nach ein paar Tagen vor Ort hat er kein gutes Gefühl. Die nächste Krise scheint schon zu lauern.

Ganz grundsätzlich findet Maas, man müsse die "Dimension der Aufgaben, mit denen wir uns auseinanderzusetzen haben", bedenken, bevor man in Berlin eine Regierung platzen lasse. In der gegenwärtigen Koalitionskrise ist das gewissermaßen sein Part. Am Montag, wenn es in der SPD wieder um Verfassungsschutz-Chef Maaßen geht, wird Maas wieder im Flugzeug sitzen. In New York beginnt die UN-Generalversammlung.

© SZ vom 22.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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