Süddeutsche Zeitung

Nukleare Waffen:Nicht-Atomstaaten drängen zur Abrüstung

Deutschland und weitere 15 Länder fordern die Atomstaaten auf, ihre Kernwaffen zu reduzieren. Zugleich widerspricht Außenminister Heiko Maas einer Abrüstungsforderung der SPD.

Von Daniel Brössler, Madrid

Der Satz war eigentlich ein Zitat: "Ein Atomkrieg sollte nie geführt und kann nie gewonnen werden", versicherten US-Präsident Joe Biden und Kremlchef Wladimir Putin kürzlich bei ihrem Gipfeltreffen in Genf. Damit wiederholten sie, worauf sich 1985 schon Ronald Reagan und Michail Gorbatschow verständigt hatten - und gaben so der vorsichtigen Hoffnung Auftrieb, dass atomare Abrüstung wieder zum ernsthaften, internationalen Thema werden könnte.

Das zumindest war am Montag die Lesart beim Treffen der "Stockholm-Initiative" in Madrid. "Es ist jetzt ein gutes Zeitfenster", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD). Auf Betreiben Schwedens und Deutschlands haben sich seit 2019 in der Gruppe 16 Nicht-Atomstaaten aus allen Erdteilen zusammengeschlossen, um die nukleare Abrüstung voranzutreiben.

"Die USA und Russland reden wieder auch über Abrüstung", sagte Maas. Deshalb sei es wichtig, nun "konkret über Initiativen" zu sprechen. Als "positives Beispiel" nannte Maas den New-Start-Vertrag: Die USA und Russland hatten im Februar beschlossen, diesen letzten noch gültigen atomaren Abrüstungsvertrag beider Staaten um fünf Jahre zu verlängern. Beide Länder verpflichten sich darin, die Zahl ihrer Atomsprengköpfe auf jeweils maximal 1550 und die ihrer Trägersysteme auf 800 zu beschränken.

Die Staaten der Stockholm-Initiative riefen die Atomstaaten dazu auf, "Führung zu zeigen". Sie sollen die nukleare Abrüstung auch durch "ernsthafte Schritte" zur Umsetzung des Atomwaffensperrvertrags voranbringen. Nicht nur die USA und Russland dürften über die Nichtverbreitung von Kernwaffen sprechen, auch die Atommacht China müsse einbezogen werde, erklärte Maas. Eine Gelegenheit biete die Anfang 2022 anstehende Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags, die turnusmäßig bereits 2020 hätte stattfinden sollen. Zu der Sitzung in Madrid hatten die spanische Außenministerin Arancha González Laya, ihre schwedische Kollegin Ann Linde und Heiko Maas eingeladen. Die meisten Teilnehmer waren per Video zugeschaltet.

Kernwaffentests sollen endgültig aufhören

Die 16 Nicht-Atomstaaten hatten sich bereits im Februar vergangenen Jahres in Berlin auf einen 22-Punkte-Katalog verständigt. Darin rufen sie "alle Kernwaffenstaaten auf, ihre Kernwaffenbestände zu reduzieren", sich für die endgültige Einstellung von Kernwaffentests einzusetzen und Blockaden zu überwinden, um wieder über ein Verbot der Herstellung von spaltbarem Material für Kernwaffen zu verhandeln. Atomstaaten sollten sicherstellen, "dass Kernwaffen nie wieder eingesetzt werden". Gefordert werden atomwaffenfreie Zonen in aller Welt.

Vorsichtig äußerte sich Maas zu der Forderung im SPD-Wahlprogramm, "die in Europa und in Deutschland stationierten Atomwaffen endlich abzuziehen und zu vernichten". Deutschland sei "als Nato-Verbündeter auch ein Teil der atomaren Teilhabe", betonte Maas. Es gehe dabei nicht nur "um unseren eigenen Schutz", sondern auch um Sicherheitsgarantien insbesondere für osteuropäische Staaten. "Ich finde nicht, dass man die zur Disposition stellen kann", sagte er. "Offen" zeigte sich Maas für die im SPD-Wahlprogramm geforderte Rolle Deutschlands als Beobachter im Rahmen des Atomwaffenverbotsvertrags. Als Nato-Staat gehört Deutschland nicht zu den Unterzeichnern.

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