Die von Bundesaußenminister Heiko Maas und seinem französischen Kollegen Jean-Yves Le Drian ins Leben gerufene "Allianz für den Multilateralismus" nimmt Konturen an. Am Rande der Generaldebatte der Vereinten Nationen nahmen am Donnerstag Vertreter aus etwa 60 Staaten, darunter zahlreiche Außenminister, an einer Art Gründungsveranstaltung teil. "Zusammenarbeit ist kein Verrat am eigenen Land. Sie schafft vielmehr die Voraussetzung dafür, dass es unseren Ländern gut geht", hatte Maas zuvor in der Nacht zum Donnerstag in einer Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen gesagt. Keine einzige der großen Zukunftsfragen sei von einem Land alleine zu lösen. "Auf Globalisierung, Digitalisierung, Migration oder den menschengemachten Klimawandel finden wir nur gemeinsam Antworten", mahnte Maas.
Die "Allianz für den Multilateralismus" solle ein "informelles Netzwerk von Ländern sein, die vereint sind in ihrer Überzeugung dass eine regelbasierte multilaterale Ordnung die einzige verlässliche Garantie für internationale Stabilität und Frieden ist und dass unsere gemeinsamen Herausforderungen nur durch Kooperation gelöst werden können", heißt es in einem Papier für das Treffen. Eingeladen hatten neben Deutschland und Frankreich auch Kanada, Chile, Mexiko, Ghana und Singapur.
Die Initiative geht auf einen Aufruf von Maas und Le Drian zurück und wird nicht zuletzt als Antwort auf die Politik von US-Präsident Donald Trump gewertet. Allerdings nahmen auch die USA auf unterer Ebene teil. "Die multilaterale Ordnung steckt in ihrer vielleicht tiefsten Krise seit ihrer Entstehung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs", hatten Maas und Le Drian im Februar in einem Artikel für die Süddeutsche Zeitung beklagt. Internationale Normen, Abkommen und Institutionen müssten geschützt werden.
Generaldebatte:"Die Erde brennt lichterloh"
Es sei "an der Zeit, nachhaltig zu handeln", nicht nur in Klimafragen, sagt Außenminister Maas in seiner Rede vor den Vereinten Nationen - und will eine neue Staatenallianz gründen.
Singapurs Außenminister warnt vor der "Rückkehr in eine Welt, in der die Macht recht hat"
Zur Eröffnung des Treffens sagte Maas am Donnerstag, es sei eine "kritischen Masse erreicht, um etwas zu bewirken". Nationalismus und Unilateralismus führten zu "weniger Sicherheit und Wohlstand für alle Nationen", warnte der portugiesische Außenminister Augusto Santos Silva. "Multilateralismus ist die beste Art, Patriot zu sein", sagte er und spielte damit auf die Rede von US-Präsident Trump vor der Generalversammlung am Dienstag an. Trump hatte gesagt, dass die "Zukunft den Patrioten" gehöre. Der Außenminister Singapurs, Vivian Balakrishnan, warnte vor der "Rückkehr in eine Welt, in der die Macht recht hat". Man habe es mit der paradoxen Situation zu tun, dass die Globalisierung mehr Menschen Wohlstand gebracht habe als je zuvor, diese aber bei vielen auch ein Gefühl der Unsicherheit hervorrufe, sagte der dänische Außenminister Jeppe Kofod. Man müsse sich um jene kümmern, "die sich zurückgelassen fühlen".
Der informellen Allianz schlossen sich auch mehrere Staaten an, deren Regierungen international zu den vehementesten Unterstützern von US-Präsident Trump gelten, darunter Polen und Ungarn. Der ungarische Außenminister Péter Szijjártó machte aber seine Vorbehalte klar. "Länder sollten nicht attackiert werden, weil sie auf dem patriotischen Pfad sind", sagte er. Japan nahm nicht an dem Treffen teil. Den Teilnehmern stand es frei, sich einzelnen Initiativen anzuschließen.
In einem Aufruf zur Stärkung und Verteidigung des humanitären Völkerrechts wurde bei dem Treffen die "dringende Notwendigkeit" bekräftigt, von bewaffneten Konflikten verursachte Schäden und Leiden zu minimieren" sowie Zivilisten zu schützen. Insbesondere humanitären Organisationen wurde Unterstützung zugesichert. Widmen will sich die Allianz für den Multilateralismus auch dem Schutz des Cyberraums vor Missbrauch sowie dem Schutz der Medienfreiheit. Zu den weiteren Anliegen gehören die Folgen des Klimawandels für die internationale Sicherheit.
Klimawandel "ist immer öfter eine Frage von Krieg und Frieden", sagt Maas
Der Klimawandel sei "längst nicht mehr nur eine ökologische Herausforderung für die Menschheit", betonte Maas in der Generaldebatte. "Er ist immer öfter eine Frage von Krieg und Frieden. Der Klimawandel ist eine Überlebensfrage für die Menschheit", sagte er. Wenn Zugang zu sauberem Trinkwasser fehle und ganze Ernten wegen Dauerdürren ausfielen, würden "die Kriege der Zukunft Klimakriege sein".
Den UN-Sicherheitsrat, dem Deutschland derzeit als nichtständiges Mitglied angehört, rief Maas auf, seine Arbeitsweise zu ändern. "Krisen und Konflikte werden dort viel zu oft erst dann Thema, wenn schon geschossen wird, wenn bereits Menschen sterben", kritisierte er. Der Sicherheitsrat müsse "von einem Krisenreaktionsgremium zu einem Krisenpräventionsgremium werden".
Maas bekannte sich zur besonderen Verantwortung Deutschlands für die internationale Ordnung. "Gerade Deutschland, vor 80 Jahren Brandstifter und Zerstörer in Europa und der Welt, muss heute in besonderer Weise Verantwortung für eine Ordnung übernehmen, die den Frieden sichert", sagte Maas.
Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir bei der Bebilderung Außenminister Maas fälschlicherweise bei der Wiedereröffnung des geschichtsträchtigen Hotels auf dem Petersberg bei Bonn gezeigt - und nicht wie in der Bildunterschrift beschrieben bei einer Rede vor den Vereinten Nationen.