Attentate, Bomben, ein Informant namens M., Kontakte zum britischen Auslandsgeheimdienst MI 6, die Wanze in der Armbanduhr des nationalen Geheimdienstchefs - was sich anhört wie ein James-Bond-Film sind die Details einer Geheimdienstaffäre, die momentan das Großherzogtum Luxemburg erschüttert. Staatsanwälte und ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mühen sich aufzuklären, wer für den Skandal verantwortlich ist. Der Ausschuss untersucht zudem, ob der nationale Geheimdienst SREL unter anderem wegen illegaler Abhöraktionen gegen elementare Rechtspraktiken verstoßen hat.
Mitten drin in der Affäre befindet sich Jean-Claude Juncker. Als Premierminister ist er oberster Chef des Geheimdienstes und damit politisch für die Arbeit des Dienstes verantwortlich. Vergangenen Freitag musste Juncker als Zeuge vor den Untersuchungsausschuss erscheinen, und, unter Eid genommen, vier Stunden lang die Fragen der Parlamentarier beantworten. Der Vorsitzende des Ausschusses, Alex Bodry, sprach von einem in Luxemburg noch nie da gewesenen Vorgang.
Affäre begann bereits in den Achtzigerjahren
Zwar geht es momentan ausschließlich um die Arbeitsweise des Luxemburger Geheimdienstes, der Ursprung der Affäre liegt jedoch in den 1980er Jahren. Damals erschütterte eine Serie von zwanzig Sprengstoffattentaten das Großherzogtum. Bis heute wurde nicht geklärt, wer die Attentäter waren. Im Februar soll zwei suspendierten Polizisten der Prozess gemacht werden. Informierte Kreise in Luxemburg gehen jedoch davon aus, dass die Beweise nicht ausreichen werden, ihnen Verwicklungen nachzuweisen. Keine Beweise gibt es auch für das in Luxemburg seit den Attentaten hartnäckig kursierende Gerücht, dass der Bruder des Großherzogs Henri an den Attentaten beteiligt gewesen sein soll.
Vor fünf Jahren, so heißt es weiter, habe sich ein Zeuge gemeldet, der den Bruder bei einem der Attentate beobachtet haben will. Der Zeuge wollte jedoch nicht zur Polizei gehen, sondern mit Premierminister Juncker sprechen - und zwar ausschließlich mit ihm. Juncker soll sich danach mit dem Großherzog besprochen haben, Details über das Gespräch sind nicht bekannt. Wohl aber soll es illegalerweise mitgeschnitten worden sein, von ebenjenem Informant M. Später habe M. eine CD mit codiertem Inhalt an den SREL geschickt, darunter die Gesprächsaufzeichnung zwischen Premier Juncker und Großherzog Henri. Bisher war das folgenlos. Die CD sei bis heute noch nicht entschlüsselt, heißt es in Luxemburg.
Heimliche Gesprächsaufzeichnung per Armbanduhr-Wanze
Aber die Aktionen gehen weiter. Der damalige Chef des Luxemburger Geheimdienstes, Marco Mille, zeichnete 2008 eine Unterredung mit Juncker mittels einer mit einer Wanze präparierten Armbanduhr auf. Das geschah wohl der Brisanz wegen. Im Verlauf des Gespräches thematisieren sie Kontakte des Großherzogs und Kontakte von Mitarbeitern des Hofes mit dem Dienst ihrer Majestät, dem britischen Auslandsgeheimdienst MI 6. Aber auch für diese Aktion gilt: Bis heute weiß keiner genau, was besprochen wurde.
Allerdings hat sich inzwischen die luxemburgische Staatsanwaltschaft eingeschaltet und Ermittlungen aufgenommen. Juncker selbst bestreitet jegliche Verbindungen zwischen dem Großherzog und dem britischen Geheimdienst. "Leute, die einfach so behaupten, es bestünde der Verdacht, der Großherzog würde mit dem englischen Geheimdienst zusammenarbeiten, die bezichtigen ja im Grunde den Großherzog des Hochverrates. Der Großherzog hat aber weder in der Vergangenheit mit ausländischen Geheimdiensten kooperiert, noch tut er dies jetzt", sagte Juncker auf einer Pressekonferenz im vergangenen Dezember.
"Extremer Vertrauensbruch"
Parallel zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft läuft der Untersuchungsausschuss, um die Arbeitsmethoden des Geheimdienstes zu prüfen. Dass zwischen 2007 und 2009 mehrere Personen ohne richterlichen Beschluss abgehört wurden, hat der derzeit amtierende Geheimdienstchef bereits eingeräumt. Die illegalen Aktionen seien in die Amtszeit seines Vorgängers Mille gefallen, der heute für die Sicherheit des Industriekonzerns Siemens verantwortlich ist. Juncker bezeichnete die Abhöraktion von Mille jüngst als "extremen Vertrauensbruch". Weil er aber das Vertrauensverhältnis zu befreundeten Nachrichtendiensten nicht hätte belasten wollen, habe er keine unmittelbaren Konsequenzen gezogen - und ihn nicht entlassen. Diese Begründung hat die Staatsanwaltschaft offensichtlich nicht überzeugt. Sie ermittelt nun auch in diesem Vorgang.
Für Premier Juncker ist die Angelegenheit nach dem Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss am Freitag nicht ausgestanden. Die Frage der politischen Verantwortung für die illegalen Abhöraktionen des Geheimdienstes bleibt ebenso zu beantworten wie die Frage nach den Bombenattentätern.