Süddeutsche Zeitung

Luxemburg:"Außergewöhnliche Umstände"

Während der Flüchtlingskrise waren Ausnahmen von den gemeinsamen Asylregeln der Europäischen Union nach einem Gutachten der Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof, Eleanor Sharpston, zulässig.

Die "ganz außergewöhnlichen Umstände" der Flüchtlingskrise haben den EU-Staaten einem maßgeblichen Gutachten zufolge Ausnahmen von den gemeinsamen Asylregeln erlaubt. Als im Jahr 2015 mehr als eine Million Menschen - Flüchtlinge, Vertriebene und andere Migranten - in die EU kamen, habe Kroatien die Fälle unmöglich allein prüfen können, stellte die EU-Generalanwältin Eleanor Sharpston am Donnerstag in Luxemburg fest. Die Generalanwältin hatte Fälle zu begutachten, in denen syrische und afghanische Flüchtlinge zuerst in Slowenien und Österreich Schutz beantragten. Slowenien hatte einen Syrer nach Kroatien zurückschicken wollen, der klagte gegen diese Entscheidung - in diesem Fall geht es vor allem um die Frage, ob der Mann legal oder illegal nach Kroatien eingereist war. Zwei Afghaninnen, die mit ihren Kinder nach Österreich gekommen waren, klagten gegen eine Entscheidung der dortigen Behörden, sie nach Kroatien zurückzuschicken.

Normalerweise ist nach der sogenannten Dublin-Verordnung jener Mitgliedstaat für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig, in dem der Flüchtling zuerst europäischen Boden betritt. Eine Lage wie die der Flüchtlingskrise war in den EU-Regeln aber nicht vorgesehen, erläuterte Sharpston. Deshalb sei in dieser Situation der EU-Staat zuständig, in dem der Antrag gestellt wurde. Weil in Griechenland "systemische Mängel im Asylverfahren" bestünden, wäre Kroatien - wo die Flüchtlinge auf der Balkanroute erneut EU-Gebiet betraten - für die Ankömmlinge zuständig gewesen.

Wegen der hohen Zahl der Asylbewerber wären EU-Staaten in Grenzlage wie Kroatien aber in Gefahr, die Lage nicht bewältigen zu können, stellte Sharpston fest. "Das wiederum könnte die Mitgliedstaaten in eine Lage bringen, in der sie nicht imstande wären, ihren unions- und völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen", teilte der EuGH zu ihrem Gutachten mit. Der EuGH ist in seinem Urteil nicht an die rechtliche Einschätzung der Generalanwälte gebunden. Häufig geben deren Gutachten jedoch die Richtung einer späteren Entscheidung vor.

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Quelle:
SZ vom 09.06.2017 / dpa
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