Luftwaffe:Flieger des Kalten Krieges

Tornados starten in der Eifel

Bundeswehr-Aufklärungsflugzeuge vom Typ „Tornado“ rollen auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel zur Startposition.

(Foto: Harald Tittel/dpa)

Seit Anfang der 1980er-Jahre ist der "Tornado" im Einsatz. Die Bundeswehr braucht einen neuen Kampfjet, die Politik tut sich aber mit der Entscheidung über die Nachfolge schwer. Geld spielt hier die geringste Rolle.

Von Mike Szymanski, Berlin

Der Bendlerblock in Berlin ist kein Fliegerhorst. Aber zum "Tag der offenen Tür" im Sommer hatte sich das Verteidigungsministerium ein echtes Kampfflugzeug auf den Hof gestellt. Vom Taktischen Luftwaffengeschwader 51 "Immelmann" in Jagel hatte sich das Ministerium einen Tornado ausgeborgt. Zu besichtigen war für die Besucher: ein Oldtimer.

Zum Erstflug hatte der Tornado am 14. August 1974 abgehoben. Seit Anfang der 1980er-Jahre ist der Jet bei der Luftwaffe im Einsatz. Der Tornado ist ein Flieger des Kalten Krieges. Heute, im Jahr 2018, ist das Flugzeug längst in die Jahre gekommen. Piloten unken, der Tornado wäre unter den Flugzeugen das, was der Opel Kadett B unter den Autos war. Die Bundeswehr braucht jedenfalls dringend einen neuen Kampfjet. Mit der Entscheidung über einen Nachfolger für den Tornado, die eigentlich in diesem Jahr noch fallen soll, tut sich die Politik aber besonders schwer.

Ausnahmsweise geht es mal nicht ums Geld, jedenfalls nicht nur. Es geht um andere, große Fragen. Es geht um Industriepolitik. Darum, ob Deutschland sein Know-how im Bau solcher Flieger erhalten kann. Und ob langfristig - im Verbund mit europäischen Partnern - ein neu entwickeltes Kampflugzeug überhaupt noch einmal eine Chance hat wie einst der Tornado, ein Drei-Nationen-Projekt. Oder der Eurofighter , den die Bundeswehr daneben im Einsatz hat. Er ist ein Gemeinschaftsprojekt mit Großbritannien, Italien und Spanien. Es geht aber auch um das Prinzip der sogenannten "nuklearen Teilhabe", über das öffentlich in Deutschland nicht viel geredet wird. Es sind heute die Tornados, die im Krisenfall amerikanische Atombomben ins Ziel tragen sollen. Ein Nachfolgemodell muss dazu technisch auch in der Lage sein. Und es geht um Vertrauen - in die USA.

Die Ausgangslage sieht wie folgt aus: Vier Modelle hat das Verteidigungsministerium in die engere Auswahl genommen. Die Luftwaffe könnte ihre 85 Tornados durch weiterentwickelte Eurofighter ersetzen. Das ist die von Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) präferierte Lösung. "Mit einer möglichen Beschaffung des Eurofighters würde der Erhalt der militärischen Luftfahrtexpertise in Deutschland und Europa weiter gesichert und eine Wertschöpfung im eigenen Land erfolgen können", heißt es aus ihrem Haus. Gegen den Eurofighter spricht, dass die Luftwaffe von dieser Idee nicht überzeugt ist. Einerseits ist der Eurofighter selbst schon wieder ein alterndes Flugzeug. Andererseits ist der Jet für das Tragen von Atombomben nicht gebaut worden. Technisch sei die Nachrüstung machbar, versichert die Industrie. Die Amerikaner müssten den Flieger für dies Aufgabe dann aber noch zertifizieren - ein Prozess, der bis zu acht Jahre dauern kann, wie es übereinstimmend in Militär- und Industriekreisen heißt. Außerdem empfiehlt die militärische Luftfahrtstrategie der Luftwaffe den Parallelbetrieb von zwei unterschiedlichen Kampfflugzeugen, damit etwa bei technischen Problemen nicht alle Jets am Boden bleiben müssen. Das könnte passieren, wenn die Truppe nur noch Eurofighter einsetzt.

Heute schon ist es schwierig geworden, Ersatzteile zu bekommen

Die Amerikaner haben mehrere Flugzeugtypen auf dem Markt, die sie Deutschland anbieten: Darunter die F-35, einen Tarnkappenflieger der neuesten Generation, sowie ältere Modelle der Typen F-18 und F-15. Gerade die neue F-35 lässt auch deutsche Luftwaffenpiloten schwach werden. Der Jet ist dem Eurofighter in seinen Fähigkeiten weit überlegen. Europäische Nachbarnationen wie Großbritannien, Italien oder demnächst auch Belgien stellen die F-35 in ihren Streitkräften in Dienst. "Das US-Angebot habe in allen sieben Kriterien vorn gelegen, die der Regierung wichtig gewesen seien, begründete das belgische Verteidigungsministerium letztlich die Entscheidung gegen den Eurofighter.

Das Problem mit der F-35 ist ein anderes: Die Technik kommt aus den USA. Sollte die Bundeswehr die Flieger anschaffen, bekommt sie nie vollständig die Kontrolle über die hochsensiblen Bereiche. Im Betrieb wird sich die Luftwaffe nicht völlig unabhängig machen können vom US-Hersteller. In früheren Zeiten wäre das wohl weniger ein Problem gewesen. Aber seitdem Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten ist, wächst auf politischer Ebene das Unbehagen, sich in eine solche Abhängigkeit zu begeben.

Fest steht nur: Mit dem Tornado geht es nicht mehr lange weiter. Ursprünglich wollte die Bundeswehr ihn bis spätestens 2035 fliegen und hatte darauf gesetzt, ihn dann von einem bis dahin zusammen mit Frankreich neu entwickelten Flieger ablösen zu können. Aber den Tornado bis dahin weiterzufliegen, kommt einem wirtschaftlichen Irrsinn gleich. Die Kosten, um ihn solange in der Luft zu halten, würden jene für einen neuen Kampfflieger übersteigen. Heute schon wird es schwierig, Ersatzteile zu bekommen. Nun soll er schon von 2025 an ausgemustert werden. Das zwingt die Bundeswehr zu einer Übergangslösung.

Druck kommt von allen Seiten. In Washington wird deutschen Politikern bedeutet, dass Deutschland die Fähigkeit der nuklearen Teilhabe ohne Unterbrechung sicherzustellen habe. Am einfachsten wäre das mit einem amerikanischen Nachfolger-Modell gewährleistet. Der von Großbritannien, Deutschland, Italien und Spanien gestützte Airbus-Konzern mit seinem Eurofighter hat mit einer Investitionsentscheidung kürzlich klargemacht, welche Bedeutung die Tornado-Nachfolge für die Rüstungswirtschaft in Deutschland hat. 60 Millionen Euro investiert das Unternehmen in ein neues Logistikzentrum für Militärflugzeuge im bayerischen Manching. Von der Kapazität sei es schon so ausgelegt, dass es "auch größere Flugzeugflotten im Rahmen einer deutschen TornadoErsatzbeschaffung oder des zukünftigen europäischen Kampflugzeugprogramms versorgen" könnte. Anfang 2020 soll das neue Gebäude fertig werden. Und unlängst hatte Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron das Vorhaben einer europäischen Armee ins Spiel gebracht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte diese Idee im Europaparlament unterstützt. Es käme einem Affront gleich, jetzt dem amerikanischen Flieger den Vorzug zu geben.

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