Luftverschmutzung:Richter vertagen Urteil über Fahrverbote

Das Bundesverwaltungs­gericht will nächsten Dienstag entscheiden, ob Dieselautos aus den Städten verbannt werden können.

Von Markus Balser und Michael Bauchmüller, Leipzig/Berlin

Das Bundesverwaltungsgericht hat sein Urteil über Fahrverbote in deutschen Städten auf kommenden Dienstag vertagt. Die Entscheidung sei zu komplex, um sie auf die Schnelle zu treffen, sagte der Vorsitzende Richter des 7. Senats, Andreas Korbmacher, in Leipzig nach vierstündiger Verhandlung. Damit müssen Millionen Autofahrer in Deutschland weiter auf eine Entscheidung darüber warten, ob schmutzigen Dieselfahrzeugen künftig die Einfahrt in Innenstädte verwehrt werden kann.

Konkret beschäftigt sich das Gericht zwar allein mit möglichen Fahrverboten in Stuttgart und Düsseldorf. Doch der Fall hat bundesweite Signalwirkung. Wegen der hohen Stickoxid-Konzentrationen in den beiden Städten hatte die Deutsche Umwelthilfe dort schärfere Luftreinhaltepläne verlangt. Verwaltungsgerichte hatten ihr recht gegeben, die betroffenen Bundesländer gingen jedoch in Revision. Sollte das Bundesverwaltungsgericht die Revisionen zurückweisen, entfaltet dies bundesweite Bedeutung. Es würde damit den Weg für Fahrverbote auch andernorts frei machen. Denn in insgesamt 70 deutschen Städten, darunter München, Hamburg, Köln, Essen und Berlin, werden Grenzwerte nicht eingehalten.

Wie das Verfahren ausgeht, ist nach der Verhandlung aber völlig offen. Das Gericht hinterfragte vor allem die Verhältnismäßigkeit pauschaler Fahrverbote. So könnte das Stuttgarter Urteil darauf hinauslaufen, alle Dieselfahrzeuge auszusperren, die nicht der Euro-6-Norm entsprechen. Davon wären zwei Drittel aller Dieselhalter betroffen. "Ist es erforderlich, zunächst die eine Gruppe und dann die andere mit einem Fahrverbot zu belegen?", fragte Korbmacher. Zu der Frage, ob Fahrverbote in einzelnen Städten schon mit bestehenden Verordnungen, etwa für die Luftreinhaltung oder für Verkehrszeichen, umsetzbar sind, zeigte sich das Gericht weniger skeptisch.

Allerdings wurde aus den Einlassungen von Klägern und Beklagten auch klar, dass sich das Problem mit der Einführung einer neuen Plakette leichter lösen ließe. Dies sei "das Petitum vieler", konstatierte auch Korbmacher, verantwortlich dafür wäre allerdings eine neue Bundesregierung. Union und SPD hatten pauschale Fahrverbote in ihrem Koalitionsvertrag ausgeschlossen. Sollte das Gericht den Ländern stattgeben und die Urteile der Verwaltungsgerichte kassieren, sei zu "prognostizieren, dass sich überhaupt nichts ändert", warnte Remo Klinger, der die Umwelthilfe vertrat. "Das wollen wir verhindern." Unterdessen wächst der Druck auf die Autohersteller, betroffenen Kunden entgegenzukommen. Die Gewerkschaft IG BCE forderte von der Autoindustrie den Rückkauf alter Dieselautos, sollte das Bundesverwaltungsgericht am Dienstag den Weg für Fahrverbote freimachen. In dem Fall sollten Autohersteller und Autohandel sich dazu verpflichten, solche Modelle zurückzunehmen, die technisch nicht nachrüstbar seien und deshalb nicht mehr in Verbotszonen fahren könnten, sagte IG BCE-Chef Michael Vassiliadis.

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