Luftverschmutzung:Hessen entfacht Debatte über Fahrverbote neu

Kontrolle Dieselfahrverbot

Sauber oder nicht sauber? In Hamburg-Altona kontrollieren Polizisten die Einhaltung des Dieselfahrverbots, das dort in einigen Straßen gilt.

(Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)
  • Die Bundesländer sind sich bei der Problematik um die schlechte Luft in den Städten uneins.
  • Vielerorts wächst die Überzeugung, dass die Bundesregierung im Kampf für bessere Luft zu zögerlich agiert.
  • Auch in der Bundesregierung bahnt sich neuer Streit über mehr Umweltschutz im Verkehr an. Das Bundesumweltministerium strebt bei der Festlegung künftiger Abgasnormen für Kfz ehrgeizigere Ziele an als die EU-Kommission.

Von Markus Balser, Berlin, und Thomas Kirchner, Brüssel

Wenn sich die Umweltminister der Bundesländer zweimal im Jahr treffen, um ihre Politik zu koordinieren, gilt ein Prinzip als ehernes Gesetz: Konsens. Denn die 16 Minister arbeiten nach dem sogenannten Einstimmigkeitsprinzip - was nicht von allen getragen wird, kann auch nicht verabschiedet werden. Als die Gespräche an diesem Mittwoch in Bremen begannen, wurde allerdings klar: Bei einigen Themen dürften Beschlüsse fast unmöglich werden.

Es knirscht zwischen den Ländern beim Thema schlechte Luft in Deutschlands Städten. Angesichts von Grenzüberschreitungen in noch immer knapp 70 Zentren brachte Hessen nach Informationen der Süddeutschen Zeitung in Vorbereitungspapieren für das Treffen einen Antrag ein, der es in sich hat und von weiteren Ländern unterstützt wird.

Denn vielerorts wächst die Überzeugung, dass die Bundesregierung im Kampf für bessere Luft zu zögerlich agiert. Man befürchte, dass die Maßnahmen des Bundes nicht ausreichten, um sich bis 2020 wirklich schadstoffmindernd auszuwirken, heißt es in dem Papier unter Tagesordnungspunkt 35 - dem brisanten Thema Schadstoffe. "Um eine schnellere und nachhaltige Minderung der Imissionsbelastung zu erreichen, bitten die Umweltministerinnen, -minister, -senatorin und -senatoren der Länder, die vom Bund bereitgestellten Mittel zu erhöhen und über einen Zeitraum von mehreren Jahren zu verstetigen", heißt es weiter.

Auch die Debatte über Fahrverbote entfacht die Landesregierung aus Wiesbaden neu

Im Klartext: Es soll deutlich mehr Geld aus Berlin fließen, um die Bürger vor Gefahren zu schützen. Zudem solle der Bund die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen für die technische Nachrüstung schaffen. Auch die Debatte über Fahrverbote entfacht die Landesregierung aus Wiesbaden neu. Man fordere die zeitnahe Einführung einer "Blauen Plakette". Mit der können Fahrverbote für ältere Fahrzeuge leichter umgesetzt werden.

Doch schon im Vorfeld kam Gegenwind. Denn auch Bayern schickte noch vor Auslaufen der Frist am vergangenen Freitag Post nach Bremen - allerdings mit ganz anderem Tenor. Zwar erkennt Bayern das Problem an. Die Umweltministerkonferenz stelle fest, dass die Stickstoffdioxidbelastung im Jahr 2017 in 66 Städten teils deutlich über dem bereits seit dem Jahr 2010 aus Gründen des Gesundheitsschutzes einzuhaltenden Jahresmittelgrenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter lag", heißt es auch in der von Bayern akzeptierten Beschlussvorlage. Doch konkrete Gegenmaßnahmen wie eine verpflichtende Nachrüstung will Bayern aus dem Papier streichen. Damit agiert das Bundesland ganz auf der Linie des CSU-Verkehrsministers Andreas Scheuer, der eine verpflichtende Nachrüstung ablehnt.

Umweltschützer werfen Bayern deshalb vor, den Gesundheitsschutz Industrieinteressen zu opfern. "Wenn Bayerns Umweltministerium die teils massiven Luftprobleme von mehr als 60 Städten einräumt, aber jede Maßnahme zur raschen Linderung streichen will, dann gleicht das unterlassener Hilfeleistung für Hunderttausende Stadtbewohner", sagt Tobias Austrup, Greenpeace-Verkehrsexperte. "Statt die Marionette am langen Arm von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer zu spielen, muss Bayerns Umweltminister die Menschen schnell vor giftigen Dieselabgasen schützen."

Ein Vorschlag der Umweltministerin könnte für Streit sorgen

Auch in der Bundesregierung bahnt sich neuer Streit über mehr Umweltschutz im Verkehr an. Wie am Mittwoch bekannt wurde, strebt das Bundesumweltministerium bei der Festlegung künftiger Abgas-Normen für Kfz ehrgeizigere Ziele als die EU-Kommission an. Aus einem Papier des Ministeriums geht hervor, dass Umweltministerin Svenja Schulze den CO₂-Ausstoß für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge bis 2030 halbieren will - bezogen auf die Werte von 2021. Die Kommission hatte eine Reduzierung von nur 30 Prozent vorgeschlagen. Auch bei den Zwischenzielen für 2025 will Schulze mehr erreichen. Während Brüssel eine CO₂-Minderung von 15 Prozent vorsieht, will die SPD-Politikerin 25 Prozent.

Mit Schulzes Papier beginnt die interne Abstimmung in der Bundesregierung. Beteiligt sind die Ressorts für Wirtschaft, Verkehr, aber auch Finanzen - denn wenn Deutschland sein Klimaziel nicht erreicht, müssen Verschmutzungszertifikate hinzugekauft werden. Nach Ansicht Schulzes ist ihr Vorschlag "die aus klimapolitischer Sicht notwendige Untergrenze". Aus Regierungskreisen verlautete allerdings schon am Mittwoch, mehrere Ressorts hätten große Bedenken.

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