Luftverkehr:Immer weiter, immer mehr

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Flugzeuge sollen künftig zwar mit Biotreibstoff oder Elektroantrieb fliegen, aber sie dürften noch lange große Mengen Treibhausgase ausstoßen. (Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Das Geschäft der Airlines wächst stetig, dies treibt neue Großprojekte an. All das schädigt das Klima.

Von Jens Flottau

Es ist in der Luftfahrtbranche gang und gäbe, über die schlechte Flughafeninfrastruktur zu schimpfen. Und es scheint ja auch etwas dran zu sein: In München wird der Bau der dritten Startbahn wahrscheinlich um viele Jahre verschoben, der Berliner Flughafen ist immer noch nicht fertig, und Frankfurt ist völlig überlastet - Abhilfe durch das Terminal drei ist erst in fünf Jahren in Sicht.

Doch ein Blick vor allem nach Osten zeigt: International gibt es jede Menge Projekte für Großflughäfen. Angefangen in Polen, wo der Bau eines Zentralflughafens zwischen Warschau und Lodz beschlossen worden ist, der auch Berlin wegen der Nähe zu Ostdeutschland Konkurrenz machen wird. Nicht allzu weit von Istanbul entfernt entstehen weitere Mega-Projekte: In Abu Dhabi wird praktisch ein neuer Flughafen auf dem Gelände des alten gebaut. Eine knappe Autostunde entfernt befindet sich der Al-Maktoum Airport von Dubai, der wie Istanbul einmal 200 Millionen Passagiere pro Jahr durchschleusen soll. Manila, Ho-Chi-Minh-Stadt, Peking, Islamabad, Teheran - die Liste der Projekte in Asien ließe sich leicht verlängern.

Dem Bauboom liegt die Erfahrung zugrunde, dass sich der Luftverkehr ungefähr alle 20 Jahre verdoppelt hat. Alle großen Flugzeughersteller legen bei ihren Marktprognosen sogar die Annahme zugrunde, dass die Nachfrage pro Jahr um etwa fünf Prozent steigt, das sind auf zwanzig Jahre gesehen mehr als das Zweieinhalbfache. Einzelne Jahre, wie nach den Anschlägen vom 11. September 2001 oder nach der globalen Finanzkrise 2008, mögen davon abweichen, doch immer wieder hat sich danach ein Aufholeffekt eingestellt: In den Folgejahren wuchsen die Fluggesellschaften noch schneller und mit ihnen der Bedarf nach größeren Flughäfen.

In den vergangenen Jahren gab es zudem einen Sondereffekt: Die Zinsen waren niedrig (und sind es immer noch), der Weltwirtschaft ging es verhältnismäßig gut, und die Treibstoffkosten waren niedrig; die Prognosen wurden deshalb übertroffen, das Wachstum des Weltluftverkehrs lag laut Branchenverband IATA eher bei sieben bis acht Prozent.

Und die Umwelt? 2009 hatte die IATA sich und ihre mehr als 200 Mitgliedsairlines verpflichtet, von 2020 an zu wachsen, ohne zusätzliches Kohlendioxid auszustoßen. Von 2050 an will der Luftverkehr gemäß seiner Selbstverpflichtung gar keine schädlichen Emissionen mehr verursachen, weil er bis dahin komplett auf elektrische Antriebe oder Biotreibstoff umgestellt habe. Derzeit ist der Luftverkehr laut Naturschutzverbänden für 5 Prozent der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich, Industrievertreter beziffern den Anteil auf lediglich 2,7 Prozent. Doch der Werte dürfte stetig zunehmen.

Mittlerweile ist klar, wie das mit dem emissionsneutralen Wachstum umgesetzt werden soll. Die internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO ist gerade dabei, das Emissionshandelssystem "Corsia" einzuführen, dem ein komplizierter internationaler Kompromiss der Mitgliedsstaaten zugrunde liegt. Das System soll sicherstellen, dass etwa chinesische Airlines weiter stark wachsen können. Wer also künftig die durchschnittlichen Emissionen der Jahre 2019 und 2020 überschreitet, muss Emissionszertifikate kaufen, mit denen anderswo Klimaschutzprojekte finanziert werden. De facto aber dürfte der Luftverkehr selbst wegen des Wachstums auch künftig mehr CO₂ ausstoßen und damit die ursprüngliche Idee konterkarieren.

Auch langfristig sieht es mit den Klimazielen im Luftverkehr schlecht aus: Es dauert lange, neue Flugzeuge zu entwickeln, viel länger als bei Autos. Die Fortschritte, die bei den Triebwerken erzielt werden, werden durch den Boom mehr als ausgeglichen. Um genügend Biotreibstoff für all die Flieger zu produzieren, müssten ganze Länder ihre Landwirtschaft umstellen. Dass von 2050 an nur noch elektrisch geflogen wird, glauben auch die kühnsten Optimisten nicht mehr. Und dass die Klimabilanz von Elektromotoren nicht so positiv ist, wie das in der Diskussion um schmutzige Diesel erscheint, ist dabei noch gar nicht berücksichtigt.

© SZ vom 26.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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