Unter überwiegend friedlichem Protest hat die Polizei am Mittwoch begonnen, den von Klimaaktivisten besetzte Braunkohleort Lützerath im Rheinischen Revier zu räumen. Bis zum Nachmittag zeigte sich ein Polizeisprecher "sehr zufrieden" mit dem Verlauf: "Für die Polizei läuft bislang alles nach Plan." Im Vorfeld war mit massivem Widerstand gerechnet worden.
Früh am Morgen war es zum Auftakt der Räumung im zu Erkelenz zählenden Ortsteil Lützerath zu Rangeleien gekommen. Laut Polizei wurden ein Molotow-Cocktail, Steine und Pyrotechnik in Richtung der Beamten geworfen. Zwei Beamten seien während des ersten Räumungstages leicht verletzt worden, sagte der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach, der für den Einsatz in Lützerath verantwortlich ist.
Die Mehrzahl der Klimaschützerinnen und Klimaschützer demonstrierte jedoch friedlich, auch jene, die sich auf den Mono- und Tripods platziert hatten. Sie leisteten keinen aktiven Widerstand, als die Polizei sie mit Hebebühnen herunterholte.
Einige Klimaschützer - Weinspach sagte, es seien etwa 200 gewesen, folgten der Aufforderung der Polizei und gingen freiwillig. Sie wurden vom Gelände eskortiert. Viele wollten aber weiter Widerstand leisten. "Die Menschen sind fest entschlossen dazubleiben, auszuharren, die Bäume und die Gebäude zu schützen", sagte Mara Sauer, eine Sprecherin der Initiative "Lützerath lebt".
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Am Abend waren keine Aktivisten mehr am Boden, sondern - bei windigem Wetter - nur noch auf Hochständen, in Netzen und in den Baumhäusern. Einige Klimaschützer haben sich außerdem in den wenigen in dem Dorf verbliebenen Häusern verschanzt. Höhenretter der Polizei versuchten, Aktivisten herunterzuholen, die auf dem Dachboden einer Scheune ausharrten.
Die Arbeiten würden über Nacht fortgesetzt, wenn auch "im verminderten Umfang", sagte ein Polizeisprecher. Die eigentliche Herausforderung, die Räumung der sieben verbliebenen Häuser im Dorf, liege in den kommenden Tagen aber noch vor den Einsatzkräften.
Alle ursprünglichen Bewohner von Lützerath haben das Dorf längst verlassen. Aktivistinnen und Aktivisten der Klimabewegung halten Lützerath aber seit etwa zwei Jahren besetzt und wollen verhindern, dass der Energiekonzern RWE unter dem Dorf Braunkohle abbaggert. Selbst wenn sie die Räumung am Ende nicht werden verhindern können, so hoffen sie doch, dass die Aktion für die Landesregierung und RWE möglichst teuer wird.
Inzwischen hat die Polizei das ganze Areal abgesperrt, niemand komme mehr unbefugt hinein. Arbeiter von RWE haben damit begonnen, das Gebiet rund um den Braunkohleort auf 1,5 Kilometer Länge einzuzäunen. Die Polizei betonte, der Zaun diene nicht dazu, Demonstranten auf dem Gelände von Lützerath einzuschließen. In den kommenden Wochen sollen die restlichen Gebäude, Nebenanlagen, Straßen und Kanäle der ehemaligen Siedlung abgerissen werden. Auch Bäume und Sträucher werden entfernt. Außerdem hat die Polizei das Ortsschild von Lützerath abgesägt. Weil sich unter den Besetzern auch Familien mit kleinen Kindern befinden, appellierten die Einsatzkräfte auf Twitter, die Kinder in Sicherheit zu bringen.
Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg hat angekündigt, am Samstag an einer Demonstration in Lützerath teilnehmen zu wollen. Sie war schon einmal im September 2021 dorthin gereist - einen Tag vor der damaligen Bundestagswahl. Bereits für Donnerstag haben sich eine Reihe weiterer Personen angesagt: Etwa Klimaaktivistin Luisa Neubauer, Vertreter der Umweltorganisation Greenpeace sowie Wissenschaftler und Prominente, die sich solidarisch mit den Zielen der Demonstranten zeigen wollen.
Etwa 200 Künstlerinnen und Künstler haben am Mittwoch einen offenen Brief verfasst, in dem sie einen Stopp der Räumung von Lützerrath sowie eine Neubewertung der Verträge zwischen RWE und dem Land Nordrhein-Westfalen fordern. Unter den Unterzeichnern sind etwa die Schauspielerin Katja Riemann, der Schauspieler Armin Rohde, der Pianist Igor Levit sowie der Sänger der Band "Die Prinzen" Sänger Sebastian Krumbiegel.
Vizekanzler Robert Habeck hat die Räumung verteidigt und zu Gewaltverzicht aufgerufen. "Die leergezogene Siedlung Lützerath, wo keiner mehr wohnt, ist aus meiner Sicht das falsche Symbol", sagte der Grünen-Politiker. Es dürfe von Seiten der Demonstranten keine Gewalt geben. "Diese Grenze darf nicht überschritten werden." Die Grünen stehen bei zahlreichen Klimaschützerinnen und Klimaschützern hart in der Kritik, weil sie als Koalitionspartner in Nordrhein-Westfalen dem Kompromiss mit RWE zugestimmt haben. Dieser sieht vor, dass der Kohleausstieg in dem Bundesland von 2038 auf 2030 vorgezogen wird. Fünf Dörfer, die ursprünglich hätten abgebaggert werden sollen, bleiben erhalten. Lützerath fällt jedoch nicht unter diese Regelung. Die Kritiker, zu denen auch Luise Neubauer gehört, obwohl sie selbst Grünen-Mitglied ist, werfen der Partei vor, zu weich gegenüber RWE gewesen zu sein und mit dem Kompromiss gegen die Pariser Klimaziele zu verstoßen.
Mit Material der Nachrichtenagenturen