Räumung von Lützerath:Polizeichef kritisiert Greta Thunberg

Räumung von Lützerath: Gemeinsam gegen Kohleabbau: die beiden Aktivistinnen Greta Thunberg (links) und Luisa Neubauer.

Gemeinsam gegen Kohleabbau: die beiden Aktivistinnen Greta Thunberg (links) und Luisa Neubauer.

(Foto: Henning Kaiser/dpa)

Die schwedische Klimaaktivistin hatte den Einsatzkräften vorgeworfen, Gewalt anzuwenden. Unterdessen ist die Polizei dabei, das letzte feststehende Gebäude des ehemaligen Dorfes zu räumen.

Von Oliver Klasen

Am Freitagnachmittag kommt Greta Thunberg. Über die Nachrichtenagenturen laufen Fotos ein, die die schwedische Klimaaktivistin an der Seite von Luisa Neubauer vor einem Baumhaus im Protestcamp zeigen. Neubauer ist am Donnerstag von Polizisten aus Lützerath weggetragen worden.

Das Camp, in dem sich Thunberg, Neubauer und zahlreiche andere Aktivistinnen und Aktivisten jetzt aufhalten, liegt nahe des Erkelenzer Stadtteils Keyenberg, einige Kilometer von Lützerath entfernt. Keyenberg, das ist eines der fünf Dörfer, die durch den Kompromiss von NRW-Landesregierung und RWE-Konzern vor dem Abbaggern gerettet wurden. Lützerath jedoch nicht. Dorthin gelangen neu anreisende Aktivisten wie Thunberg jetzt nicht mehr. Der Ort ist längst abgesperrt, umgeben von einem 1,5 Kilometer langen Doppelzaun, der Ort ist Eigentum und mithin Betriebsgelände des RWE-Konzerns. Er soll jetzt geräumt, abgerissen und schließlich abgebaggert werden, um dort Braunkohle zu fördern, irgendwann.

Räumung von Lützerath: Eines der letzten Gebäude von Lützerath wird abgerissen.

Eines der letzten Gebäude von Lützerath wird abgerissen.

(Foto: Federico Gambarini/dpa)

"Wenn Regierungen und Konzerne die Umwelt zerstören (..), wehren sich die Menschen", sagt Thunberg am Freitag im Protestcamp. Sie kritisierte das Vorgehen der Polizei bei der Räumung des Dorfes scharf. "Es ist empörend, wie die Polizeigewalt ist", sagte Thunberg. Der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach wies den Vorwurf zurück. "Es ist mir unverständlich, wie sie zu ihrer erstaunlichen Beurteilung kommt", sagte er dem Spiegel. "Den größten Teil ihres Aufenthalts hat sie genutzt, um mit der Presse zu sprechen und Statements zu geben. Während fast neben ihr sehr behutsam daran gearbeitet wurde, Aktivisten zu befreien."

Thunberg ist eigentlich wegen der Großdemonstration am Samstag gekommen. Von 10.30 Uhr an wollen die Aktivistinnen und Aktivisten noch einmal einen Aufschlag machen, wollen so viele Menschen wie möglich für ihr Anliegen mobilisieren. 8000 Demonstranten sind angemeldet, die Veranstalter hoffen, dass es mehr werden.

Das Aachener Verwaltungsgericht hat am Freitagnachmittag entschieden, dass die Demo stattfinden darf - unter Auflagen. Die Klimaaktivisten wollten zehn Traktoren mitführen, das hat das Gericht verboten. Die Polizei hatte zusätzlich gefordert, dass der Startpunkt der Demo verlegt wird, das hat das Gericht abgelehnt. Ein befürchteter Rückstau der Anreisenden auf die Autobahn könne durch "verkehrslenkende polizeiliche Maßnahmen" und durch Vorgaben an die Versammlungsleiter entgegengewirkt werden, so das Gericht.

Es ist ein Teilerfolg für jene, die in Lützerath und in den Dörfern drumherum protestieren. Denn ansonsten, das muss man nach drei Tagen Räumung sagen, läuft es offenbar ziemlich gut, das heißt nach Plan für die Polizei. Bereits am Freitagmorgen, als das zuständige Aachener Präsidium Zahlen zum Einsatz in Lützerath mitteilt, klingt es nach einer Erfolgsmeldung: Es sei eine vergleichsweise ruhige Nacht gewesen, außerdem hätten am Donnerstag mehr als 300 Aktivistinnen und Aktivisten den Ort freiwillig verlassen.

Räumung von Lützerath: Das Banner "Lützerath bleibt!" an der Wand eines Gehöfts war eines der Symbole des Protests.

Das Banner "Lützerath bleibt!" an der Wand eines Gehöfts war eines der Symbole des Protests.

(Foto: Petra Albers/dpa)

Auf vier Wochen Räumungseinsatz, so hatte Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach Anfang der Woche gesagt, stelle man sich ein, man rechne damit, dass die Aktivisten "vielfältig Widerstand leisteten". Nun deutet sich am Freitagmittag an, dass die Räumung doch schneller abgeschlossen sein könnte als erwartet. Die Polizei hat nach ihrer Darstellung mit der Räumung des letzten Gebäudes in Lützerath begonnen.

Von den ursprünglich mehreren Hundert Klimaaktivisten befinden sich nur noch einige Dutzend auf dem Gelände. Sie halten in Baumhäusern, auf Hochsitzen und Dächern sowie zwischen Bäumen gespannten Netzen die Stellung. Die Einsatzkräfte müssen sie mit großem Aufwand einzeln aus ihrer Position entfernen und wegtragen.

Besonders kompliziert dürfte das bei zwei Demonstranten werden, die sich in etwa vier Metern Tiefe in einem unterirdischen Tunnel aufhalten. Um sie dort herauszuholen, sind laut Polizei Spezialkräfte von Feuerwehr und THW nötig. Bereits in der Nacht hat es dahingehend einen Versuch gegeben, der jedoch abgebrochen wurde.

Räumung von Lützerath: Die Räumung ist für die Polizei mit großem Aufwand verbunden.

Die Räumung ist für die Polizei mit großem Aufwand verbunden.

(Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

"Ich finde es einfach schlimm, welche Gefahren diese Menschen auf sich nehmen, für sich", sagt Polizeipräsident Weinspach, nachdem er ein Stück weit in den Tunnelschacht hineingestiegen ist. Die Konstruktion sei nicht sicher, die Sauerstoffversorgung auf Dauer nicht gewährleistet. Er gehe allerdings davon aus, dass derzeit keine akute Gefahr für die beiden Personen bestehe. Kontaktbeamte versuchten über Funkgeräte, Kontakt aufzunehmen und mit den Betreffenden zu sprechen, sagt Weinspach.

Von der Mauer eines verlassenen Hofes in Lützerath entfernen Arbeiter am Freitagvormittag auch ein Transparent mit der Aufschrift "1,5 °C heißt: Lützerath bleibt!". Es ist nur ein kleines Detail der Räumungsarbeiten, aber eines mit Symbolwirkung. Denn das weithin sichtbare gelbe Transparent war seit Jahren im Hintergrund vieler Protestaktionen zu sehen gewesen. Auch die Baumfällarbeiten rund um das Dorf, das nun Betriebsgelände des RWE-Konzerns ist, werden fortgesetzt.

Aktivisten ketten sich am Tor der RWE-Zentrale fest

Unterdessen setzen sich die Solidaritätsproteste an anderen Orten auch am Freitag fort: Vor der RWE-Konzernzentrale in Essen protestierten Klimaaktivisten der Gruppe "Letzte Generation" mit einer Sitzblockade. Drei von ihnen ketteten sich nach Angaben eines Aktivistensprechers mit Fahrradschlössern an einem Rolltor fest. Man wolle die Aktion in Essen fortsetzen, bis die Räumung von Lützerath abgebrochen werde. RWE manipuliere die deutsche Öffentlichkeit und Politik seit vielen Jahren mit falschen Zahlen.

Räumung von Lützerath: Klimaaktivistinnen und -aktivisten vor der RWE-Zentrale in Düsseldorf.

Klimaaktivistinnen und -aktivisten vor der RWE-Zentrale in Düsseldorf.

(Foto: Roberto Pfeil/dpa)

Ein RWE-Sprecher wollte sich zu der Aktion nicht äußern. Ein Sprecher der Polizei Essen sagte, die Aktion mache ein Passieren der Einfahrt derzeit unmöglich. Die Aktivisten hätten die Worte "Lützerath bleibt" auf den Boden gesprüht; auch eine Hauswand sei besprüht worden. Die Polizei gehe dem Verdacht der Sachbeschädigung nach und prüfe, ob ein Verstoß gegen das Versammlungsrecht vorliege, da die Demonstration nicht angemeldet worden sei.

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