Nordrhein-Westfalen:Scharfe Kritik an Habeck und Neubaur

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Ein Schaufelradbagger in Garzweiler II beseitigt Grünflächen, um an den Bodenschatz zu gelangen. (Foto: Sean Gallup/Getty)

Verkehrte grüne Welt: Nach dem Aus für das Symboldorf Lützerath im Rheinischen Braunkohlerevier hagelt es Proteste aus der Klimabewegung. Und ein Lob ist vergiftet.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Die Ankündigung der Bundesregierung und der nordrhein-westfälischen Landesregierung, das Dorf Lützerath im Rheinischen Braunkohlerevier zu zerstören, haben Klimaschützer mit einem Aufruf zu neuen Protesten quittiert. "Wir werden das Dorf mit der gesamten Klimagerechtigkeitsbewegung schützen", sagte Christopher Laumanns, ein Vertreter der regionalen Braunkohle-Gegner von "Alle Dörfer bleiben". Eine Sprecherin der etwa 150 meist jungen Aktivisten, die derzeit in Lützerath in Baumhäusern, Zelten und leerstehenden Häusern leben, kündigte an, man werde "Lützerath verteidigen" und auf diese Weise für Menschen in Ländern wie Pakistan oder Somalia einstehen, die besonders unter den Folgen des globalen Klimawandels litten. Noch im Herbst soll die Polizei das Dorf räumen.

Am Dienstagmorgen hatten die beiden Grünen Mona Neubaur und Robert Habeck, die eine in Düsseldorf und der andere im Bund für Wirtschaft und Klimaschutz zuständig, gemeinsam einen früheren Kohleausstieg in Westdeutschland bekanntgegeben: Statt 2038 sollen schon 2030 alle Kohlekraftwerke stillgelegt werden. Allerdings sei es infolge des russischen Krieg in der Ukraine nötig, nun das Kohleflöz unter Lützerath abzubaggern. Der Energiekonzern RWE, der den Boden unter und um Lützerath besitzt, will mit der Kohle fünf Kraftwerksblöcke befeuern, die mit insgesamt 2100 Megawatt Leistung länger am Netz bleiben als bisher geplant.

Kritiker warfen den grünen Politikern am Dienstag Verrat vor. "Die Grünen verabschieden sich von der Klimabewegung", sagte Braunkohlegegner Laumanns, "sie akzeptieren, dass unsere Region verwüstet wird." Allerdings sieht der Regierungsbeschluss vor, RWE den Abriss von fünf Dörfern im Nordwesten des Tagebaus Garzweiler II zu untersagen. Das Symboldorf Lützerath hätte allenfalls als eine Art Halbinsel inmitten des Tagebaus bewahrt werden können. Zudem wären dann drei alte Bauernhöfe vom Abriss bedroht gewesen, auf denen derzeit 25 Menschen leben.

"Frau Neubaur ist in der Realität angekommen"

In der Region zwischen Aachen und Köln sind viele grüne Parteimitglieder seit Jahren in der Anti-Braunkohle-Bewegung aktiv. Antje Grothus, inzwischen grüne Landtagsabgeordnete, führte vor vier Jahren die Proteste zur Rettung des Hambacher Forst an. "Für mich als Klimabewegte ist heute kein einfacher Tag," sagte Grothus der Süddeutschen Zeitung. Sie sei froh über den früheren Kohleausstieg und das Ende der Zwangsumsiedlungen von Bürgern, aber die Freude werde nun "überschattet": "Ausgerechnet diejenigen Menschen, die diese Erfolge durch ihr Engagement erst ermöglicht haben, sollen jetzt den für sie und das Klima so wichtigen Ort aufgeben." Auch Sprecher der Grünen Jugend verurteilten den Beschluss vom Dienstag als "falsch" und kündigten weitere Proteste gegen den Kohleabbau an.

Ein vergiftetes Lob für Landesministerin Neubaur spendete die nordrhein-westfälische FDP, die bis zum Frühsommer das Bundesland mit der CDU regiert hatte. Die Grünen seien auf die "Energieversorgungsstrategie der Vorgängerregierung" umgeschwenkt, sagte Fraktionschef Henning Höne: "Frau Neubaur ist in der Realität angekommen."

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