Lügner und Wahrheitsverdreher:Bis sich die Balken biegen

Angesichts zahlloser Skandale in Wirtschaft und Politik stellt sich die Frage, welchen Vorbildern man überhaupt noch glauben darf. Eine Auswahl prominenter Negativ-Beispiele in Bildern. Von Chr. Schäfer und I. Marusczyk.

12 Bilder

-

Quelle: SZ

1 / 12

Kurt Beck

Auf der Suche nach wahrheitsliebenden Politikern sollte man nicht zwingend bei Kurt Beck anfangen. Der SPD-Chef muss neuerdings mit dem Vorwurf des Wortbruchs leben. Vor der Wahl in Hessen betonte er stets, dass die Sozialdemokraten im Westen auf keinen Fall die Hilfe der Linkspartei in Anspruch nehmen würden. Stellvertretend für zahlreiche gleichlautende Aussagen schloss Beck am 23. August 2007 in der Leipziger Volkszeitung eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei in Hessen kategorisch aus. Er setzte sich damit über den Rat seines Vorvorgängers Franz Müntefering hinweg und korrigierte die bislang gültige Regel, wonach allein die Landesverbände über Koalitionen entscheiden.

Nach einer Wahlkampfveranstaltung in Hamburg machte Beck bei einem Abendessen mit dem Hamburger SPD-Spitzenkandidaten Michael Naumann, dem Nobelpreisträger Günter Grass und acht Journalisten deutlich, dass er die von ihm selbst gesetzte Regel revidiert. Er begründet seinen Meinungsschwenk mit dem Wahlergebnis in Hessen und sagt, Andrea Ypsilanti könne sich notfalls auch mit den Stimmen der Linkspartei wählen lassen, auch wenn das "keine schöne Lösung wäre".

Im Gegensatz zu fast allen anderen kann Beck in seinen Äußerungen bis heute keinen Wortbruch erkennen und sieht auch "keinen Anlass, im Büßergewand zu gehen".

Foto: dpa

-

Quelle: SZ

2 / 12

Andrea Ypsilanti

Auch Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti muss sich vorhalten lassen, gelogen zu haben. Im Wahlkampf betonte sie unzählige Male - auch im Interview mit sueddeutsche.de - jede, aber auch wirklich jede Form der Zusammenarbeit mit der Linkspartei auszuschließen.

Selbst nach der Wahl erklärte sie am 28. Januar im Hessischen Rundfunk zu einer Zusammenarbeit mit der Linken: "Ich habe das von vornherein ausgeschlossen, ich habe es sehr konsequent ausgeschlossen, und es wird auch jetzt ausgeschlossen bleiben."

Wenige Wochen später war das nicht mehr gültig. Am 4. März beschloss der hessische SPD-Landesvorstand einstimmig, Gespräche mit den Grünen zur Bildung einer Minderheitsregierung aufzunehmen. Ypsilanti erklärte, sie wolle sich mit den Stimmen der Linken wählen lassen.

Foto: dpa

-

Quelle: SZ

3 / 12

Roland Koch

Nur mit vielen Tricks, reichlich Chuzpe und zumindest einer faustdicken Lüge konnte Hessens Ministerpräsident Roland Koch den Parteispendenskandal der hessischen CDU überstehen. Öffentlich spielte Koch damals den "brutalstmöglichen" Aufklärer, dabei hatte er nachweislich versucht, Spuren zu verdecken.

Als die Affäre in ihren ersten Umrissen publik wurde, stand fest, dass Koch im Wahlkampf für die Landtagswahl 1999 rund 1,4 Millionen Mark Schwarzgeld zur Verfügung gestanden hatten. Dennoch erklärte der Regierungschef auf einer Pressekonferenz am 10. Januar 2000, er kenne "bis zum heutigen Tage keinen einzigen Vorgang außerhalb der offiziellen Buchhaltung der Christlich Demokratischen Union".

Das war gelogen, doch die hessischen Wähler hielten es ihm nicht wirklich lange vor. Bei der darauf folgenden Landtagswahl errang Koch mit seiner Partei die absolute Mehrheit.

Foto: dpa

-

Quelle: SZ

4 / 12

Helmut Kohl

Bundeskanzler Kohl entging nur um Haaresbreite einem Strafverfahren wegen uneidlicher Falschaussage. Im Untersuchungsausschuss zur Flick-Affäre hatte Kohl erklärt, nichts über die "Staatsbürgerliche Vereinigung" (Flicks Waschanlage für Spenden) gewusst zu haben. Das war aufgrund der Aktenlage eine eindeutige Lüge. Kohl berief sich später auf einen "Blackout".

Die Ermittlungen wurden eingestellt - mit einer bemerkenswerten Begründung: Zwar spreche vieles dafür, dass Kohl von den Zahlungen Flicks wusste. Aber man könne ihm nicht nachweisen, dass er sich erinnert habe - und insofern keine vorsätzliche Lüge beweisen.

Foto: ddp

-

Quelle: SZ

5 / 12

Colin Powell

Wenige Wochen vor dem Angriff auf den Irak am 20. März 2003 versuchte der damalige US-Außenminister Colin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat, das Gremium und den Rest der Welt von der Existenz irakischer Massenvernichtungswaffen zu überzeugen.

Bei seinem Auftritt am 5. Februar 2003 präsentierte er eine Ampulle, die demonstrieren sollte, dass auch kleinste Mengen einer "biologischen Waffe" wie des Anthrax-Erregers in irakischer Hand für einen verhängnisvollen Angriff ausreichen würden.

Powell beschuldigte die irakische Regierung unter Saddam Hussein außerdem, mobile Biowaffenlabore auf Lastwagen zu unterhalten, um den Waffenkontrolleuren zu entgehen.

Schon im April 2004 musste Powell zugeben, dass der "dramatischste Teil" seiner Präsentation vor dem UN-Sicherheitsrat auf falschen Geheimdienst-Informationen beruhte. Im Nachhinein hätten sich die Quellen als "nicht zuverlässig" erwiesen.

Nach seinem Amtsende Ende 2004 wurde Powell noch deutlicher: Der Auftritt vor der Sicherheitsrat sei ein "Schandfleck" seiner Karriere gewesen, im Nachhinein fühle er sich "furchtbar" deswegen.

Foto: AP

-

Quelle: SZ

6 / 12

Bill Clinton

In einer eidesstattlichen Erklärung versicherte der damalige US-Präsident Bill Clinton im Januar 1998, er habe keine sexuelle Beziehung mit Monica Lewinsky gehabt, die 1995 als Praktikantin ins Weiße Haus gekommen war. Demgegenüber räumte Lewinsky am 6. August vor einer Grand Jury ein, sexuelle Kontakte zu Clinton gehabt zu haben.

Elf Tage später machte Clinton seine Aussage vor der Grand Jury. Er revidierte seine zuvor gemachten Angaben und gestand eine "unangemessene und unschickliche" Beziehung zu Lewinsky ein. Anschließend wandte sich Clinton in einer Fernsehansprache an das amerikanische Volk und entschuldigte sich dafür, zuvor die Unwahrheit gesagt zu haben.

Foto: Reuters

-

Quelle: SZ

7 / 12

Richard Nixon

US-Präsident Richard Milhous Nixon hatte 1972 den Auftrag erteilt, das Hauptquartier der gegnerischen Demokraten im Watergate-Gebäude zu verwanzen. Lange Zeit leugnete Nixon die Rechtsbrüche, die er und seine Vertrauten in diesem Zusammenhang begangen hatten. Doch als immer neue Einzelheiten bekannt wurden, beschlossen auch Nixons Republikaner, das Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten zu unterstützen. Nixon kam dem durch seinen Rücktritt am 9. August 1974 zuvor.

Foto: dpa

-

Quelle: SZ

8 / 12

Christoph Daum

Der damalige Trainer des Fußball-Bundesligisten Bayer 04 Leverkusen war im Jahr 2000 eigentlich als nächster Nationaltrainer vorgesehen. Dann sagte Bayern-Manager Uli Hoeneß, Daum sei oft "verschnupft". Das Gerücht des Kokainmissbrauchs ging um, es war der Auftakt zu einer im deutschen Fußball beispiellosen Affäre.

Während der moralische Zeigefinger auf Hoeneß gerichtet wurde, gab Daum eine Haarprobe ab, um seine Unschuld zu beweisen. Er tue das, weil er "ein absolut reines Gewissen" habe, sagte Daum damals.

Dreiste Lüge oder Realitätsverlust - die Haarprobe war positiv, Daum musste in Leverkusen gehen und wurde auch nicht Nationaltrainer. Nach einer Auszeit und Engagements im Ausland steht er derzeit beim 1. FC Köln unter Vertrag.

Foto: dpa

-

Quelle: SZ

9 / 12

Erik Zabel

Der Sprinterkönig aus Berlin steht stellvertretend für viele Lügner im Radsport, die jahrelang bekräftigten, sauber zu sein - nur um später des Dopings überführt zu werden. In den Augen vieler Radsport-Fans war Zabel ein tragisches Beispiel, galt er doch als Glaubwürdigkeit in Person. Er gewann sechs Mal das grüne Trikot des besten Sprinters bei der Tour de France und fuhr für die besten deutschen Profi-Teams.

Im Mai 2007 gestand er - gemeinsam mit ehemaligen Mitstreitern aus dem Team T-Mobile - seine Lüge ein. Er habe 1996 kurz vor der Tour de France Epo ausprobiert, den Versuch jedoch schnell abgebrochen, gab Zabel zu. Das war auch gelogen, wie sich jetzt herausstellte: Schon bei der vorausgegangenen Tour de Suisse hatte er sich einer Epo-Kur unterzogen.

Damit ist auch die letzte Glaubwürdigkeit dahin und Zabel steht in einer Reihe mit vielen (vermeintlichen) Lügnern im Radsport, die entweder nur zugeben, was sie ohnehin nicht mehr leugnen können, oder trotz starker Indizien weiterhin alles abstreiten.

Foto: dpa

-

Quelle: SZ

10 / 12

Diego Maradona

Fußball-WM-Viertelfinale 1986, Argentinien spielt gegen England. Der argentinische Spielmacher Diego Maradona erläuft eine hohe Flanke, taucht alleine vor Englands Torhüter Peter Shilton auf, springt zum Kopfball. Der Ball fliegt über Shilton hinweg ins Tor. Die englischen Spieler reklamieren Handspiel, der Schiedsrichter entscheidet auf Tor: 1:0, Maradona schreibt ein Stück WM-Geschichte.

Nach der Partie sagt er: "Es war ein bisschen Gottes Hand und ein bisschen Maradonas Kopf." Eigentlich war es nur Maradonas Hand, das beweisen Fotos.

Foto: dpa

-

Quelle: SZ

11 / 12

Walter Ulbricht

Vielen Zeitgenossen ist immer noch die Lüge von SED-Chef Walter Ulbricht in Erinnerung. Im Juni 1961 hatte er mit Blick auf Berlin verkündet: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen." Doch die SED-Führung war beunruhigt, immer mehr DDR-Bürger flohen in den Westen - im Juli 1961 allein 30.000.

Am 13. August 1961 begannen Soldaten der DDR damit, rund um Westberlin ein militärisches Sperrsystem zu errichten. Sie riegelten auf einer Länge von 155 Kilometern die Grenze ab; die Mauer selbst war 45 Kilometer lang. Gräben, Stacheldraht und Minen sollten Republikflüchtlinge daran hindern, das Bollwerk zu überwinden. Es gab 80 Todesopfer an der Mauer, weil DDR-Grenzsoldaten ihrem Schießbefehl folgten.

Foto: dpa

-

Quelle: SZ

12 / 12

Kurt Waldheim

Der frühere Uno-Generalsekretär (1971-1981) und österreichische Bundespräsident (1986-1992) Kurt Waldheim (2. v. l.) hat nach Überzeugung einer internationalen Historikerkommission seine militärische Vergangenheit als Wehrmachtsoffizier auf dem Balkan verharmlost. Waldheim beharrte darauf, dass er nie in das Reiterkorps der SA und den NS-Studentenbund eingetreten sei und dass er als Offizier auf dem Balkan keine Kenntnis von Kriegsverbrechen hatte.

Diese Darstellung widerlegte die Kommission. Der damalige Bundeskanzler Fred Sinowatz fasste die Vorwürfe pointiert zusammen: "Ich stelle fest, dass Kurt Waldheim nie bei der SA war, sondern nur sein Pferd."

Foto: AP

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: