Rechtsextremismus:BGH bestätigt Urteil im Mordfall Lübcke

Rechtsextremismus: Kassel im Juni 2019: Das Konterfei von Walter Lübcke (CDU) ist hinter einem Bundeswehrsoldaten am Sarg bei einem Trauergottesdienst in der Martinskirche zu sehen.

Kassel im Juni 2019: Das Konterfei von Walter Lübcke (CDU) ist hinter einem Bundeswehrsoldaten am Sarg bei einem Trauergottesdienst in der Martinskirche zu sehen.

(Foto: Swen Pförtner/dpa)

Die lebenslange Freiheitsstrafe für den Rechtsextremisten Stephan Ernst bleibt damit bestehen. Aber auch der Freispruch des zweiten Angeklagten Markus H. vom Vorwurf der Beihilfe.

Mehr als drei Jahre ist es her, dass der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke von einem Rechtsextremisten auf der Terrasse seines Hauses erschossen wurde. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Revision abgelehnt und damit das Urteil in dem Fall bestätigt.

Es war vor allem um die Frage gegangen, ob sich das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main noch einmal mit dem Fall befassen muss. Die Richterinnen und Richter in Karlsruhe haben entschieden, dass dies nicht nötig und der Fall damit rechtskräftig abgeschlossen ist. Sie bestätigten am Donnerstag die lebenslange Freiheitsstrafe für Stephan Ernst wegen Mordes an dem CDU-Politiker, aber auch den Freispruch des zweiten Angeklagten Markus H. vom Vorwurf der Beihilfe.

Der Vorsitzende Richter des dritten Strafsenats, Jürgen Schäfer, sprach von einer "fehlerfreien Beweiswürdigung" des OLG - sowohl mit Blick auf die Schuldsprüche als auch auf die Freisprüche.

Das OLG Frankfurt am Main hatte den Rechtsextremisten Stephan Ernst im Januar 2021 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren rechtlich zwar möglich, in der Praxis aber so gut wie ausgeschlossen. Der heute 48-Jährige sitzt in Untersuchungshaft.

Das OLG sah es als erwiesen an, dass Ernst den CDU-Politiker am 1. Juni 2019 spätabends zu Hause auf dessen Terrasse aus nächster Nähe mit einem Kopfschuss getötet hatte. Er habe seinen rassistischen Hass auf Lübcke projiziert, seit sich dieser auf einer Bürgerversammlung Jahre zuvor für die Aufnahme von Geflüchteten ausgesprochen hatte.

Den Mitangeklagten Markus H., einen Freund von Ernst aus der rechten Szene, verurteilte das OLG zu einer anderthalbjährigen Bewährungsstrafe wegen eines Waffendelikts - aber nicht wie angeklagt wegen Beihilfe zum Mord an Lübcke. Er kam im Oktober 2020 frei. Die Familie des Getöteten und die Bundesanwaltschaft monieren vor allem diese letzte Entscheidung des Frankfurter Gerichts. Sie sind überzeugt, dass der heute 46-Jährige eine wesentlich zentralere Rolle bei dem Attentat spielte. Er habe mit Ernst schießen geübt und ihn letztlich in seinem Willen zur Tat bestärkt. Die Hinterbliebenen halten ihn sogar für einen direkten Mittäter. Die Angehörigen und die Bundesanwaltschaft hatten daher Revision eingelegt.

Ernst selbst hatte seine Aussage in dem Frankfurter Prozess mehrfach geändert und H. zeitweise beschuldigt, mit ihm bei Lübcke gewesen zu sein und - in einer Version - sogar die Waffe gehalten zu haben. Die OLG-Richter hielten das jedoch nicht für glaubhaft.

In der mündlichen Verhandlung am BGH in Karlsruhe Ende Juli hatte die Witwe Irmgard Braun-Lübcke gesagt: "Für uns ist es wichtig, dass wir die ganze Wahrheit erfahren." Das bisherige Urteil lasse noch einige Fragen offen, "die wir gerne geklärt hätten". Dabei gehe es vor allem um die letzten Minuten im Leben ihres Mannes: Gab es zum Beispiel noch einen Wortwechsel oder wurde er aus dem Hinterhalt erschossen?

Auch die Angeklagten waren in Revision gegangen. Ernsts Anwälte etwa wenden sich gegen den Vorbehalt einer Sicherungsverwahrung nach der Haft.

Der dritte Strafsenat am BGH hat das OLG-Urteil ausschließlich auf Rechtsfehler geprüft. Er hat keine Zeugen gehört und keine Beweise erhoben.

Neben dem Fall Lübcke ging es in dem Verfahren noch um einen Angriff auf einen irakischen Asylsuchenden. Jemand hatte den Mann Anfang 2016 attackiert und ihm ein Messer in den Rücken gestochen. Die Bundesanwaltschaft hält Ernst für den Täter, konnte die OLG-Richter aber nicht überzeugen. Das Opfer tritt ebenfalls als Nebenkläger auf.

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