Süddeutsche Zeitung

Lucy und die Linke:Radikale Wende

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Einst hat die rote Lucy Redler die Linkspartei radikal bekämpft, nun will sie ihr beitreten. Doch in der Parteispitze wirkt schon die Erwähnung ihres Namens stimmungstrübend.

Daniel Brössler

Wortgewandt ist sie, politisch erfahren und obendrein vehement gegen Hartz IV, Niedriglöhne und den Einsatz der Bundeswehr im Ausland. Kurzum ein Mitglied, wie man es sich wünscht bei der Linkspartei. Besser gesagt: Wünschen würde, handelte es sich nicht um Lucy Redler, auch Rote Lucy genannt.

Beim Bezirksverband Neukölln in Berlin hat die 29-jährige Sozialökonomin einen Mitgliedsantrag gestellt, über den am Dienstag entschieden werden soll. Im Falle Redler ist das keine Routine, denn von höchster Stelle wurde Einspruch erhoben gegen die Mitgliedschaft der jungen Linken.

Der stellvertretende Partei- und Fraktionsvorsitzende Klaus Ernst hat zusammen mit dem WASG-Mitbegründer Thomas Händel Widerspruch eingelegt gegen die Aufnahme. Stimmt der Bezirk ihr dennoch zu, droht ein Schiedsverfahren. Zu Redler nehme er keine Stellung, sagt Ernst und klingt gereizt dabei. Die Erwähnung ihres Namens wirkt bei ihm wie bei anderen führenden Politikern der Linkspartei stimmungstrübend.

Lieblingsgegner PDS

Die Geschichte der Lucy Redler ist zunächst die einer schönen, jungen Frau, die gestandenen, älteren Herrn Ärger bereitet hat. 2006 trat sie als Spitzenkandidatin der Wahlalternative Solidarität und Gerechtigkeit (WASG) bei den Wahlen in Berlin an. Ihr Lieblingsgegner damals hieß PDS.

Den Ostsozialisten warf Redler medienwirksam vor, sich im rot-roten Senat am Sozialabbau zu beteiligen. Folgerichtig wollte sie mit den Genossen aus dem Osten nichts zu tun haben und kämpfte so verbissen wie erfolglos gegen die Vereinigung von PDS und WASG zur Linkspartei. Nach der Fusion versuchte sie mit einer Berliner Alternative für Solidarität und Gegenwehr ihr Glück, fand es aber nicht.

"Unsere Hoffnung war, dass wir außerhalb der Linken mehr Druck gegen die Politik, die hier in Berlin von Rot-Rot betrieben wird, entfachen und in Diskussionprozesse innerhalb der Linken eingreifen können. Das hat sich nicht bestätigt", räumt Redler ein. Stattdessen musste sie den Erfolg der Linken erleben, die sie nun einen "Hoffnungsträger für Millionen" nennt. Zusammen mit Gesinnungsgenossen entschloss sie sich, der verschmähten Fusionspartei doch noch beizutreten, um innerhalb der Linken für ihre Positionen zu kämpfen.

Davor graut früheren WASG-Politikern in der Linkspartei. Sie fürchten Redler als Radikale mit Sprengwirkung. Sie habe zwar keine Freudentänze in der Berliner Linkspartei erwartet über ihren Mitgliedsantrag, sagt sie, der Einspruch zweier prominenter Linker überrasche sie aber schon.

Bekenntnis zum Trotzkismus

Die Linkspartei sei doch eine pluralistische Partei mit verschiedenen Strömungen, da sei auch Platz für die ihre. Redlers Strömung heißt Sozialistische Alternative und bekennt sich zum Trotzkismus - weshalb führende Linke nun eine trotzkistische Unterwanderung befürchten.

"Ich verstehe Trotzkismus als modernen Marxismus", sagt Redler, die von Streiks und Massenprotesten träumt. Die Finanzkrise beweise doch, dass der "Kapitalismus nicht funktioniert". SPD und Grünen wollten den Kapitalismus nur besser verwalten, deshalb müsse die Linke in "grundlegender Opposition zur Politik im Interesse der Herrschenden stehen". Gegen linke Regierungsbeteiligungen habe sie aber nicht in jedem Fall etwas, versichert sie. "Ich will ja, dass Hugo Chávez in Venezuela und Evo Morales in Bolivien an der Macht bleiben."

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SZ vom 23.10.2008
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