Loveparade-Katastrophe:Sauerland wusste von Planungsproblemen

Duisburgs OB Adolf Sauerland war offensichtlich besser über die Sicherheitsrisiken der Loveparade informiert als er zugibt. Ein Brandbrief der Bauaufsicht hatte ihn gewarnt.

Wusste er doch mehr als er bislang zugibt? Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) soll nach Spiegel-Informationen detailliert über Planungsprobleme im Vorfeld der Loveparade informiert gewesen sein. Dies gehe aus vertraulichen Anhängen zu dem am Mittwoch bekannt gewordenen Zwischenbericht über die Loveparade-Tragödie hervor, berichtete das Magazin am Samstag vorab.

Duisburgs OB Sauerland Sündenbock nach Loveparade-Katastrophe

Laut Medienberichten war Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland über die Planungsprobleme im Vorfeld der Loveparade informiert.

(Foto: dpa)

Demnach schrieb die städtische Untere Bauaufsicht am 14. Juni, knapp sechs Wochen vor der Veranstaltung, einen Brandbrief an den Veranstalter. Eine Kopie des Schreibens soll laut Vermerk Sauerlands Büro erhalten haben.

In dem Schreiben wies die Bauaufsicht dem Bericht zufolge darauf hin, dass am 14. Juni weder ein Lageplan des Loveparade-Geländes noch ein "zielorientiertes Brandschutzkonzept" für die Techno-Parade vorgelegen habe. Auch eine Endfassung des Sicherheitskonzepts habe es zum damaligen Zeitpunkt nicht gegeben.

Offensichtlich stand Sauerland zu diesem Zeitpunkt allerdings schon unter immensem Druck. Einerseits soll im Genehmigungsverfahren zur Duisburger Loveparade nach Informationen des Focus die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen unter dem früheren Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) Einfluss auf die Stadt Duisburg ausgeübt haben. Das berichtete das Nachrichtenmagazin am Samstag in einer Vorabveröffentlichung unter Berufung auf ein Besprechungsprotokoll zum ersten Planer-Treffen für die Techno-Party am 2. Oktober 2009.

Demnach betonte der städtische Ordnungsdezernent Wolfgang Rabe, dass Rüttgers "in der Vergangenheit bereits eine Aussage getroffen habe, dass die Loveparade in Duisburg stattfinden sollte". Eine Absage könne daher "lediglich aus gravierenden Sicherheitsbedenken erfolgen".

Neben der Landesregierung erhöhte auch Loveparade-Veranstalter Rainer Schaller den Druck auf die Stadt. Nachdem das Bauamt am 14. Juli ein Sicherheitskonzept eingefordert hatte, meldete sich fünf Tage später eine von Schallers Firma Lopavent beauftragte Anwaltskanzlei und drängte auf die Erteilung einer "Sondernutzungserlaubnis", wie spiegel.de berichtet. Die Juristen warnten demnach davor, die Großveranstaltung abzusagen und wiesen auf die "immensen wirtschaftlichen aber auch ideellen Schäden für Veranstalter, die Metropole Ruhr und die Stadt Duisburg" hin. Am 21. Juli gab die Stadt grünes Licht für die Veranstaltung.

Schwere Vorwürfe gegen die Polizei

Während die Ermittlungen weiter andauern, hat erstmals ein Verantwortlicher der Duisburger Loveparade öffentlich Fehler eingeräumt. "Ich hätte dringlicher auf die Probleme hinweisen müssen" sagte der Psychologe Carsten Walter in einem Interview mit dem Spiegel.

Duisburgs OB Sauerland Sündenbock nach Loveparade-Katastrophe

Die Bevölkerung von Duisburg hat OB Sauerland als Sündenbock für die Loveparade-Katastrophe auserkoren.

(Foto: dpa)

Walter sollte während der Veranstaltung als sogenannter Crowd-Manager die Besucherströme auf dem Veranstaltungsgelände regulieren. Schon Stunden bevor die 21 Opfer von den Menschenmassen erdrückt wurden, habe er das Gefühl gehabt, dass etwas schieflaufe, sagte Walter. Er habe aber nicht die Entscheidungskompetenz gehabt, das Gelände abzuriegeln.

Damit erhob er schwere Vorwürfe gegen die Polizei. So hätten er und ein Beamter "geschätzte 45 Minuten" benötigt, die Polizeiführung zu erreichen. Das Problem sei gewesen, dass der Polizist "definitiv" kein Funkgerät gehabt habe und das Handynetz überlastet gewesen sei. Damit widersprach er der Darstellung der Polizei im Düsseldorfer Landtag.

In der Duisburger Stadtspitze herrscht währenddessen weiterhin Streit. Baudezernent Jürgen Dressler erhob in einem internen Brief an seine Mitarbeiter Vorwürfe gegen Oberbürgermeister Sauerland. In dem Brief, über den am Samstag die Rheinische Post berichtete, schreibt Dressler demnach, es fehle der Verwaltung an einer geordneten Führung. Außerdem sei "eine klare Strategie zur Behebung der Krise nach dem Unglück nicht erkennbar".

Oberbürgermeister Sauerland bestritt dies. In einer Mitteilung der Stadt Duisburg schrieben er, der Stadtdirektor und drei Beigeordnete, dass die Arbeit der Verwaltungsvorstandskonferenz reibungslos verlaufe. "Leider hat der Beigeordnete Dressler an den letzten Vorstandssitzungen nicht regelmäßig teilgenommen."

Während der Duisburger Loveparade am 24. Juli war am überfüllten Zugangstunnel eine Massenpanik ausgebrochen. 21 Menschen starben, mehr als 500 wurden verletzt. Die Verantwortung für die Katastrophe ist noch ungeklärt - Stadt, Veranstalter und Polizei warfen sich nach dem Unglück wiederholt gegenseitig Versäumnisse vor.

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