Loveparade-Katastrophe:"Nicht geeignet für eine Genehmigung"

Duisburgs Stadtverwaltung bemängelte die Pläne des Loveparade-Veranstalters - und stimmte trotzdem zu. Das erste Gutachten entlastet Bürgermeister Sauerland nur, wenn man seine Anhänge ignoriert.

Bernd Dörries

Vor einigen Tagen schickte die Duisburger Stadtverwaltung 320 Seiten Unterlagen aus dem Genehmigungsverfahren für die Loveparade an eine Rechtsanwaltskanzlei, die ein Entlastungsgutachten erstellen sollte. Schnell wurde das Gutachten veröffentlicht: Es glich einem glatten Freispruch für Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) und seine Verwaltung. Der Anhang blieb unter Verschluss - doch er zeichnet ein völlig anderes Bild.

Loveparade - Sauerland kündigt Erklärung an

Das erste Gutachten entlastet Duisburgs Bürgermeister Sauerland - wenn man die Anhänge nicht liest.

(Foto: dpa)

So findet sich in den 320 Seiten, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, auch ein Schreiben der Unteren Baubehörde vom 14. Juni an den Veranstalter der Loveparade, das der Duisburger Oberbürgermeister in Kopie bekam. Es listete auf, was alles an Konzepten und Anträgen noch fehlte für die Genehmigung der Loveparade. Es fehlte so ziemlich alles, vom Brandschutz- bis zum Sicherheitskonzept. So seien "die bisher vorgelegten Unterlagen nicht ausreichend, teilweise unbestimmt und nicht geeignet, eine hinreichende bestimmte Genehmigung erteilen zu können", heißt es in dem Schreiben. In der Sprache der Bürokratie ist das eine Ohrfeige. Dann erklärte der Bearbeiter, dass die Veranstalter kein schlüssiges "Entfluchtungskonzept" vorgelegt und für das Gelände mehr Personen kalkuliert hätten als zugelassen seien.

Am Ende kam die Genehmigung auf Bestellung

In den Akten folgen seitenweise Briefwechsel, in denen der Veranstalter scheibchenweise Anträge und Konzepte nachreicht, um Fristverlängerung bittet und die Stadt ihrerseits immer wieder auf Lücken hinweist. Irgendwann schien der Veranstalter keine Lust mehr zu haben auf Papierkrieg - er forderte über seine Rechtsanwälte am 19. Juli einfach die Genehmigung ein: "Die immensen wirtschaftlichen, aber auch ideellen Schäden, die nicht nur der Veranstalterin, sondern auch der Metropole Ruhr und der Stadt Duisburg entstehen, wenn die Veranstaltung abgesagt werden muss, überwiegen die denkbaren Beeinträchtigungen", schrieb die Berliner Kanzlei Härting an den Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland. Zwei Tage später war die Genehmigung da. Sie wurde drei Tage vor Beginn der Loveparade unterschrieben.

Wann fiel die Entscheidung?

Die Akten vermitteln den Eindruck, als sei die endgültige Entscheidung, die Veranstaltung um jeden Preis durchzuboxen, schon viel früher gefallen: beim Veranstalter, in der Stadt und auch in der Regierungszentrale des Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers in Düsseldorf. Das behauptete zumindest der Duisburger Ordnungsdezernent Wolfgang Rabe laut Protokoll einer Sitzung im Rathaus vom 2. Oktober 2009: "Herr Rabe teilt mit, dass der Ministerpräsident des Landes in der Vergangenheit bereits eine Aussage getroffen habe, dass die Loveparade in Duisburg stattfinden sollte. Eine Absage könne daher lediglich aus gravierenden Sicherheitsbedenken erfolgen." Und die wollte man in der Stadt offenbar nicht finden.

Sauerland hätte eingreifen können

Ein Abwahlverfahren für Oberbürgermeister Sauerland wird der Rat der Stadt Duisburg vorerst trotzdem nicht beschließen. Dafür gibt es nach derzeitigem Stand keine Mehrheit. Denn außer der CDU wollen nun auch die Grünen abwarten, was die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ergeben.

Sauerland hatte bisher immer argumentiert, er wolle nicht zurücktreten, weil er die Frage der Verantwortung als eine der persönlichen Schuld sehe. Und die trage er nicht, da er mit den Details der Planungen der Loveparade nicht befasst war; das sei Sache der Verwaltung gewesen. Die Kopie des Schreibens legt nun aber nahe, dass Sauerland über die chaotische Planung der Veranstaltung durchaus Bescheid wusste und die Möglichkeit gehabt hätte einzugreifen.

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