Love-Parade:30 Jahre Bumm-Tschack

Die Zeiten, in denen mehr als eine Million Menschen hinter wummernden Lkws her pilgerten, sind vorbei. Die Love-Parade ist Geschichte, aber zu Techno wird weiter getanzt.

Von David Pfeifer

Was sagt ein Techno-Raver, wenn man ihm sein Ecstasy wegnimmt? "Was ist das für langweilige Musik?" Wer diesen Witz in den frühen 1990er-Jahren erzählte, gehörte zu denen, die keine Amphetamine nahmen, und die auch - nicht nur deswegen - eher nichts mit dieser Musik anfangen konnten. Diese Menschen standen dann, an einem glutheißen Wochenende wie dem vergangenen, an einer Straße in Berlin und sahen zu, wie knallbunt verkleidete, manchmal auch halbnackte Tänzer zu Bumm-Tschack-Beats in einer sogenannten Love-Parade hinter Lkws her durch die Stadt stampften.

Wer freilich in der Masse aufging, wer den Takt spürte und die Feinheiten der Musik erfassen konnte, war im Glück. Manchmal auch ganz ohne die obligatorischen Drogen. Denen, die drin waren, waren diejenigen, die draußen gafften, irre egal. Das ging schon 1989 los, als die allererste Love-Parade durch Berlin führte, mit etwas über hundert Ravern. Jahr für Jahr wuchs die Veranstaltung, schnell hatte sie mehr als eine Million Teilnehmer. Nach der Parade war vor der Party: Die Clubs der neuen Hauptstadt brummten bis Montag früh in der After Hour, die Hotels und Jugendherbergen waren voll, und es wurde viel Geld verdient, aber auch viel in die Grünflächen gepinkelt.

Getreu dem Titel-Motto gab es kaum Aggression, noch nicht mal Abgrenzung. Techno war keine Auflehnung der Jugend, auch wenn sie als politische Demonstration angemeldet worden war. Es war kein rebellischer Gestus mit der Musik verbunden, sondern vor allem Hedonismus. Rock 'n' Roll war da schon länger tot. Rückblickend war Techno die vorerst letzte musikalische Erneuerung, die es im Pop gab, davor war Hip-Hop. Beides, Hip- Hop und Techno, sind im Kern Sample-Künste, die Neues aus der Variation von Vorhandenem schaffen. Seitdem dominiert die große Gleichzeitigkeit den Pop.

Die Musik und der Gedanke der Gegenkultur löste sich schnell von der Love-Parade. Die Veranstaltung wurde zum Ersatz-Karneval für die wenig faschingsfreundlichen Berliner. Von 2007 an trennte sich die Hauptstadt von dem Event. Die Parade zog ins Ruhrgebiet, nach Essen, Dortmund und schließlich Duisburg, wo es 2010 zu einer katastrophalen Fehlleistung von Veranstaltern und Behörden kam, die zu 21 Toten führte. Seitdem gibt es keine Love-Parade mehr.

Die Musik hatte da längst die Clubs erobert und bis heute nicht mehr verlassen, so wie Hip-Hop die Charts dominiert. Als EDM (Electronic Dance Music) wird Techno in Las Vegas genauso gespielt wie in Ibiza. In originelleren Varianten wie "Elektro" oder "Minimal" lässt er die Raver im Berliner "Berghain" tanzen, oder im Münchner "Blitz"-Club. Die prominenten DJs von damals, Westbam, Hell oder Sven Väth, sind inzwischen gefeierte Pioniere, die zu einzelnen Auftritten in Privatjets eingeflogen werden.

In Paris läuft bis 11. August die Ausstellung "Electro: From Kraftwerk to Daft Punk" in der Philharmonie de Paris. Und Dr. Motte, Initiator der ersten Love-Parade, wird von Montag an eine Retrospektive im "Nineties" in Berlin gewidmet, unter dem Titel "Dr. Mottes Loveparade". Techno ist mittlerweile also nicht nur als Kunst geadelt, sondern im Museum angekommen.

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