Großbritannien:Wie Prinz Charles Politik machen wollte

Großbritannien: Umweltschutz und Landwirtschaft liegen dem britischen Thronfolger Charles sehr am Herzen.

Umweltschutz und Landwirtschaft liegen dem britischen Thronfolger Charles sehr am Herzen.

(Foto: AP)

Nach zehn Jahren Streit veröffentlicht die britische Regierung zehn Briefe, die Thronfolger Prinz Charles an verschiedene Minister schrieb. Übte er ungebührlichen Einfluss auf die Politik aus? Ein erster Blick auf die Texte.

Nach zehn Jahren Rechtsstreit hat die britische Regierung insgesamt zehn Briefe von Thronfolger Prinz Charles (66) an sieben Ministerien veröffentlicht (hier können Sie sie lesen). Sie stammen aus den Jahren 2004 und 2005.

Interessant ist vor allem, ob er damit versucht hat, auf die Politik seines Landes Einfluss zu nehmen. Die britischen Monarchen sollen der - ungeschriebenen - britischen Verfassung zufolge politisch neutral sein.

Einem ersten Blick auf die Texte zufolge, den die britische Zeitung Guardian vornahm, ging es unter anderem um folgende Themen: Rinderhaltung, Reform der gemeinsamen EU-Agrarpolitik, Probleme von Arbeitern in der Milchwirtschaft, Ressourcen für Streitkräfte, das Cherry Knowle Hospital in Sunderland und Dachskeulung. Der Guardian berichtet in einem Liveticker über das Ereignis.

Charity, Seevögel, Ernährungsprobleme

Charles lud Minister demnach ein, eine Konferenz über Architektur zu besuchen. Er schrieb über das Verschwinden von Seevögeln und das Problem der Schwarzfischerei. Er machte auf die Ernährungsprobleme von Schülern aufmerksam, arrangierte Treffen mit Vertretern von Wohltätigkeitsorganisationen und schrieb über den Wiederaufbau historischer Gebäude in Nordirland.

In einem Brief an den damaligen Premierminister Tony Blair fasste Charles ein zuvor geführtes mündliches Gespräch mit dem Regierungschef zusammen. In dem Schreiben forderte er die Regierung auf, die Streitkräfte mit funktionierenden Kampfhubschraubern auszurüsten. "Ich fürchte, dies ist ein weiteres Beispiel dafür, dass unsere Soldaten um einen extrem herausfordernden Job gebeten werden, ohne die nötige Ausrüstung dafür zu haben", heißt es in dem Brief, der 2004 verfasst wurde. Blair hatte zuvor britische Soldaten in den Irak geschickt.

Der Guardian stellt in einer ersten Analyse fest: Charles habe sich fast ausschließlich in Angelegenheiten an die Minister gewandt, die als seine persönlichen Interessen gelten: Landwirtschaft, Umweltschutz, Streitkräfte, Architektur, Schulen und Stiftungen. Der Prinz betreibt selbst eine große Biofarm.

Kritiker bemängeln, dass er damit seine Position als künftiger König ausnutze und das Neutralitätsgebot eines künftigen Monarchen verletze. Ein Statement seines Büros widersprach dieser Darstellung: Der Prinz spreche stets Themen von öffentlichem Interesse an. Er versuche lediglich, Dinge, die an ihn herangetragen wurden, weiterzuleiten.

Insgesamt wurden zehn Brief veröffentlicht, die Charles an Mitglieder der Regierung geschrieben hatte. 14 weitere sind Antworten der Regierung. Bei dreien handelt es sich um Briefwechsel zwischen Privatsekretären.

Auf Twitter heißen die Briefe #BlackSpiderMemos

Viele Menschen hatten gespannt darauf gewartet, was in den Briefen des Thronfolgers steht. Charles' Handschrift gilt als krakelig. Auf Twitter spekulierten viele Nutzer deswegen unter dem Hashtag "BlackSpiderMemos" (wörtlich übersetzt: Notizen einer schwarzen Spinne) über den Inhalt.

Die Briefe waren aber nicht - wie zuvor häufig berichtet - handschriftlich verfasst worden. Lediglich Anrede und Unterschrift sind mit schwarzer Tinte und in der für Charles typischen Handschrift verfasst

Der Guardian hatte 2005 erstmals die Herausgabe der Briefe gefordert, da Charles damit Einfluss auf die britischen Regierungsgeschäfte genommen haben könnte. Im März hatte das höchste britische Gericht nach langem Hin und Her die Blockade der britischen Regierung und des Palasts zurückgewiesen.

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