Lolitagate in Schleswig-Holstein:Weitergehen, hier gibt's nichts zu sehen!

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Die Nord-CDU muss sich nach dem Rückzug von Spitzenmann Christian von Boetticher neu sortieren. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen gibt sich trotz Lolita-Affäre gut gelaunt - doch Prognosen zufolge dürfte dem Landesvater das Lachen noch vergehen.

Kamerateams und Journalisten drängeln sich vor der Sitzung der CDU-Fraktion im Kieler Landtag, doch der Mann, auf den sie warten, erscheint nicht. Christian von Boetticher, der gefallene Landes- und Fraktionschef, erspart sich den Rummel.

Viel Aufmerksamkeit für die CDU in Schleswig-Holstein: Wirtschaftsminister Jost de Jager (li.) gilt als möglicher Nachfolger des zurückgetretenen Spitzenkandidaten Christian von Boetticher. (Foto: dapd)

Auch ohne den Hünen, der über eine Beziehung mit einer Minderjährigen stürzte, will keine Erleichterung bei der Regierungsfraktion aufkommen: "Die Stimmung ist natürlich gedrückt", räumt Landtagspräsident Torsten Geerdts ein. "Das streicht eine Fraktion nicht so leicht weg." In diesen Tagen ist es nicht einfach, ein Christdemokrat in Deutschlands hohem Norden zu sein.

Zwei Tage liegt der tränenreiche Auftritt Boettichers zurück und Boulevard-Medien graben immer neue Details aus seinem Privatleben auf - solche, die mit Politik nichts mehr zu tun haben.

Seine Parteifreunde betonen, dass Boetticher sein Landtagsmandat behält. Der Grund liegt nahe: Er sichert damit der CDU/FDP-Koalition die Mehrheit von einer Stimme. Ob er nach der Landtagswahl noch im Parlament sitzen wird, ist ungewiss.

Neun Monate sind es noch bis zum Urnengang und die CDU ist führungs- und kandidatenlos. Das soll sich schnell ändern: Die Spitzengremien der Landespartei tagen am Abend. Dort könnte eine Vorentscheidung für eine Spitzenkandidatur von Wirtschaftsminister Jost de Jagers fallen. Möglicherweise läuft auf ihn auch der Posten des Landesvorsitzenden hinaus. Am kommenden Donnerstag soll der ebenfalls vakanten Posten des Fraktionschefs neu besetzt werden. Der bisherige Fraktionsvize Hans-Jörn Arp stünde bereit. Als weitere mögliche Kandidaten waren Fraktionsvize Callsen und Finanzexperte Tobias Koch im Gespräch.

Auch wenn sich die Christdemokraten schnell neu sortieren, ist deren Ausgangslage für die Wahl denkbar prekär: "Diejenigen, die Boetticher nun nachfolgen, werden es sehr schwer haben, in den kommenden Monaten das negative Bild zu kitten", sagt der Politologe Wilhelm Knelangen von der Universität Kiel zu sueddeutsche.de. Der Wissenschaftler glaubt, dass der Partei noch nicht bewusst ist, wie es um sie steht: "Für die schleswig-holsteinische CDU ist der Rückzug Boettichers ein Desaster, dessen Ausmaße die Partei wohl erst in einigen Wochen realisieren wird."

Die Aussichten auf eine Bestätigung der bürgerlichen Koalition in Kiel sind derzeit mau: Eine Umfrage im Mai ergab, dass Union und Freidemokraten gemeinsam auf 36 Prozent kommen, wobei die FDP sogar unter der Fünf-Prozent-Hürde blieb.

Anders die Oppositionsparteien: SPD und Grüne hätten eine klare Mehrheit. "Die Leute haben die Nase voll", freute sich SPD-Fraktionschef Ralf Stegner am Morgen nach Boettichers Abgang. Man habe beste Chancen auf den Wahlsieg.

Im Mai wählt Schleswig-Holstein, bis dahin regiert Peter Harry Carstensen das Land zwischen Nord- und Ostsee. Demonstrativ gelassen gibt sich der Ministerpräsident und Förderer Boettichers, am Tag zwei nach dem Rücktritt seines früheren Schützlings.

Der Friese kam mit seinen Ministern das erste Mal nach der Sommerpause zusammen. Es scheint, als ob der dauerfröhliche Landesvater die Krise weglächeln möchte: "Das ist eine ganz normale Kabinettssitzung mit einer ganz normalen Tagesordnung", behauptet er und strahlt.

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