Zu Angela Merkels beeindruckendsten Fähigkeiten gehört die, quasi immer Ruhe zu bewahren. Geschult wurde diese Fähigkeit in den Duellen mit parteiinternen Konkurrenten Anfang der 2000er-Jahre. Für alle ausgezahlt hat sie sich, als die Kanzlerin Deutschland durch die Weltwirtschaftskrise führte. Und wenn man sieht, dass bislang eine Mehrheit die harschen Einschränkungen im Kampf gegen die Pandemie mitträgt, dürfte auch das viel mit dem Vertrauen in Merkels Ruhe zu tun haben. Nach dem Motto: Bei ihr ist das keiner übertriebenen Aufgeregtheit entsprungen.
Umso bemerkenswerter ist der Auftritt, den die Kanzlerin am Montag im CDU-Präsidium hinlegte. Nach Berichten von Teilnehmern hat sie so deutlich wie selten zuvor ihren Zorn gezeigt - einen Zorn, den sie in das Wort "Diskussionsorgien" packte. Gemeint waren die immer breiteren Debatten über Lockerungen, die der Kanzlerin große Sorgen bereiten. Nichts fürchtet sie mehr als Leichtsinn, im Glauben, das Gröbste sei schon überstanden. Das ist es nicht. Und nichts unterstreicht das besser als Merkels Wutanfall.
Damit der eine dauerhafte Kraft entfaltet, muss sich freilich auch die Kanzlerin ändern. Sie muss mehr erklären; zum Jetzt und zum Morgen. Sie muss die Debatte also selbst führen, sonst wird ihr das Ganze entgleiten.