Süddeutsche Zeitung

Lockdown-Verlängerung:"Deshalb müssen wir weiter vorsichtig sein"

Die Bundesländer dürfen Schulen und Kitas schrittweise wieder öffnen, die übrigen Einschränkungen wollen Kanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten bis zum 7. März in Kraft lassen. Nur für Friseure soll es eine Ausnahme geben.

Von Constanze von Bullion, Kristiana Ludwig und Jens Schneider, Berlin

Der bundesweite Lockdown wird nach einem Beschluss von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder bis zum 7. März verlängert. Das haben Merkel und die Länderregierungschefs am Mittwoch vereinbart. Lediglich Friseurbetriebe können bei strikter Einhaltung von Hygiene-Auflagen am 1. März wieder öffnen. Zu weitergehenden Lockerungen etwa für den Einzelhandel kann es dem Beschluss zufolge erst kommen, sobald ein stabiler Inzidenzwert von höchstens 35 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnern erreicht wird. Derzeit liegt dieser Wert im Bundesschnitt bei knapp unter 70.

Mit Blick auf die Schulen und Kitas gibt es keine bundeseinheitliche Regelung. Vielmehr werden die Bundesländer nach eigenem Ermessen entscheiden, ob sie schrittweise zum Präsenzunterricht übergehen. Einige von ihnen, etwa Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, hatten schon im Vorfeld angekündigt, dass sie auf jeden Fall noch im Februar Öffnungsschritte in den Schulen durchsetzen wollten. Die Kanzlerin sagte, sie hätte mit diesen Öffnungen gerne erst ab dem 1. März begonnen. Für die Bildung seien aber die Länder zuständig, sie hätten dies anders beurteilt.

Für einige Lehrkräfte soll es möglicherweise das Angebot einer früheren Impfung geben, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wird gebeten, diese Möglichkeit für Beschäftigte in der Kindertagesbetreuung sowie Grundschullehrerinnen und -lehrer zu prüfen. Die Bundeskanzlerin betonte, dass gerade Erzieher keine Möglichkeit hätten, im Unterricht oder den Kitas die notwendigen Abstände einzuhalten.

Die Kanzlerin sagte, dass der Lockdown in den letzten Wochen Erfolge gebracht habe und die Inzidenzwerte bei den Infektionen deutlich gesenkt werden konnten. Jedoch gebe es durch die Entwicklung verschiedener Mutanten die Gefahr eines erneuten starken Anstiegs. "Deshalb müssen wir weiter vorsichtig sein und weiter runter mit den Fallzahlen", sagte sie. Es solle alles dafür getan werden, nicht in eine "Wellenbewegung hoch und runter, auf und zu" zu kommen. Die Regierungschefs wollen am 3. März erneut beraten.

Sollte es in den Ländern gelingen, die Sieben-Tage-Inzidenz unter 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern zu senken, soll der nächste Öffnungsschritt dort die Öffnung des Einzelhandels mit einer Begrenzung von einer Kundin oder einem Kunden pro 20 Quadratmetern umfassen, zudem Museen und Galerien sowie die "noch geschlossenen körpernahen Dienstleistungsbetriebe".

Der Wert von 35 sei durchaus in Sichtweite, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU): "Es ist kein Vertagen auf den Sankt-Nimmerleinstag." Bayern werde einen vorsichtigeren Kurs als andere Bundesländer fahren, kündigte er an. "Zumachen erfordert Mut, öffnen erfordert Klugheit", sagte Söder.

Gesundheit von Kindern verschlechtert

Die Regierungschefs betonen, dass "Kinder und Jugendliche, ebenso wie ihre Eltern, besonders von den Einschränkungen betroffen sind". Aktuell hatten am Mittwoch Hamburger Forscher des Universitätsklinikums Eppendorf davor gewarnt, dass sich die Lebensqualität und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im Verlauf der Corona-Pandemie weiter verschlechtert habe. Extrem belastet seien vor allem Kinder aus Risikofamilien, erklärte die Leiterin der Studie, Ulrike Ravens-Sieberer. Gründe hierfür seien vor allem der Rückgang von sozialen Kontakten während des Homeschoolings, eine ungesündere Ernährung und deutlich weniger Bewegung. Bis zu 40 Prozent der Befragten seien nicht mehr sportlich aktiv, weil Angebote der Sportvereine und Freizeitaktivitäten fehlen, hieß es. Befragt wurden mehr als 1600 Eltern und mehr als 1000 Kinder und Jugendliche im Alter von sieben bis 17 Jahren.

"Höchste Alarmstufe" an den Grenzen

Zur Sprache kamen bei dem Treffen am Mittwoch auch Einreisesperren aus weiteren Ländern mit hoher Mutationsbelastung. An einigen Grenzen "herrsche höchste Alarmstufe", sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach Angaben aus Teilnehmerkreisen. Er forderte die Bundesregierung auf, Tschechien und Tirol zu Mutationsgebieten zu erklären. "Es droht ein zweites Ischgl aus Tirol." Sollte Tschechien seine Notfallmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nicht verlängern, bitte Bayern die Bundesregierung dringend um Grenzschließungen.

Bei Horst Seehofer (CSU) dürfte Söder damit offene Türen eingerannt haben. Er dringt seit Wochen auf schärfere Grenzschutzmaßnahmen, neuerdings auch mit stationären Kontrollen. "Wir sehen die Entwicklung in einigen Landkreisen Tschechiens mit Sorge und beobachten das sehr aufmerksam", sagte der Sprecher des Bundesinnenministers. Sollte das Robert-Koch-Institut die Regionen zum sogenannten Virusvariantengebiet erklären, müssten Einreisende an den Grenzen zurückgewiesen werden. "Dann werden auch stichprobenartige Grenzkontrollen nicht mehr reichen."

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