Bund und Länder haben sich am späten Mittwochabend auf stufenweise Lockerungen der Corona-Beschränkungen geeinigt. Für die Öffnungsschritte soll nun wieder ein Inzidenzwert von 50 ausschlaggebend sein; zuletzt hatten noch höchstens 35 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnern binnen sieben Tagen als maßgeblich gegolten. Nach mehr als neunstündigen Verhandlungen, die wegen mangelnder Einigkeit zwischendurch unterbrochen wurden, sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von einer neuen Phase der Pandemie, in die man zwar nicht "mit Sorglosigkeit" gehen dürfe, aber "mit berechtigten Hoffnungen".
Mit Blick auf den Beginn der Pandemie vor mehr als einem Jahr und den ersten Lockdown im Frühjahr vergangenen Jahres, sagte Merkel: "Der Frühling 2021 wird anders sein als der Frühling 2020", weil es nun Impfstoffe und breite Testmöglichkeiten gebe. Allerdings bestehe auch in Deutschland die "Gefahr einer dramatischen dritten Welle".
Gerungen worden war dem Vernehmen nach vor allem um den maßgeblichen Inzidenzwert für die verschiedenen Öffnungsschritte und darum, wann der Einzelhandel öffnen darf. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte nach den Gesprächen, dass die Testmöglichkeiten noch nicht ausreichten, "um sich völlig von den Inzidenzen abzukoppeln". Die Beschlüsse seien ein "Angebot, so viele Menschen wie möglich mitzunehmen" und für Akzeptanz zu werben.
Konkret sollen die Länder zwar ihre Corona-Verordnungen zunächst bis zum 28. März verlängern. Allerdings sind vom 8. März an wieder private Treffen von zwei Haushalten und höchstens fünf Personen erlaubt, wobei Kinder bis 14 Jahre nicht mitzählen. Wo die Inzidenz unter 35 liegt, sind zwei weitere Haushalte und zehn Personen plus Kinder erlaubt. Merkel sprach von einem positiven Anreiz und davon, dass es sich für die Menschen vor Ort "lohnen" solle, das Infektionsgeschehen niedrig zu halten.
Steigt die Inzidenz jedoch an drei Tagen über 100, sollen wieder die alten Kontaktbeschränkungen gelten, wenn auch ohne Berücksichtigung von Kindern. Auch alle anderen Lockerungen müssten in diesem Fall zurückgenommen werden. "Wir bauen eine Notbremse ein", sagte Merkel dazu, diese müsse "akkurat eingehalten" werden.
Nach Schulen, Kitas und Friseuren sollen nun vom 8. März an - wo das nicht ohnehin schon der Fall ist - auch Buchhandlungen, Blumengeschäfte und Gartenmärkte öffnen, wenn auch mit beschränkter Kundenzahl je Quadratmeter Verkaufsfläche. Fahr- und Flugschulen dürfen ebenfalls öffnen, mit Schnell- oder Selbsttest der Kunden.
Alle weiteren Öffnungsschritte wären dann an den Inzidenzwert von höchstens 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner binnen einer Woche in der jeweiligen Region geknüpft. Allerdings sollen auch bei Inzidenzen von stabil unter 100 Lockerungen möglich sein, dann aber unter strengeren Rahmenbedingungen. So soll ebenfalls vom 8. März an im Fall einer stabilen Inzidenz von unter 50 der Einzelhandel mit beschränkter Kundenzahl öffnen dürfen, ebenso Museen, Galerien, Gedenkstätten, Zoos und botanische Gärten; bis zu zehn Menschen dürfen im Freien Sport treiben. Wo die Inzidenz dagegen stabil unter 100 liegt, soll nur Terminshopping möglich sein, für Zoos und Ähnliches wären Buchungen notwendig, und Freiluftsport ginge höchstens zu fünft oder für bis zu 20 Kinder.
Wo immer die Inzidenz drei Tage lang über 100 steigt, greift eine "Notbremse"
Dieses Muster wiederholt sich bei allen weiteren Öffnungsschritten - die zusätzlich erst gegangen werden dürfen, wenn die Infektionslage zuvor 14 Tage stabil geblieben ist. In Regionen mit Inzidenzen von unter 50 wären demnach frühestens am 22. März Außengastronomie, Theater, Konzert- und Opernhäuser sowie die Kinos dran; dazu käme Sport in der Halle. In Regionen mit einer Inzidenz von unter 100 wäre all das nur mit tagesaktuellen Schnell- oder Selbsttests der Besucher möglich. Vom 5. April an könnten in U-50-Regionen im Freien Freizeitveranstaltungen mit bis zu 50 Teilnehmern stattfinden sowie "Kontaktsport" in Innenräumen; bei Inzidenzen bis 100 wäre dann Sport ohne Tests möglich und Shopping ohne Termin.
Am 22. März soll in der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz dann über diejenigen Bereiche gesprochen werden, die in dem aktuellen Öffnungskonzept noch nicht vorkommen.
Abgesichert werden sollen die Lockerungen durch doppelt so viele Impfungen in der Woche wie derzeit in den Impfzentren. Von Ende März, Anfang April an soll zudem auch in Arztpraxen geimpft werden, weniger Impfdosen als bisher sollen für Zweitimpfungen zurückgehalten werden. Bundesländer mit hohen Infektionszahlen in Grenzregionen können außerdem ihre Kontingente verstärkt für diese Landkreise verwenden. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hatte vor Beginn der Gespräche angeregt, dass für Geimpfte geltende Beschränkungen wegfallen könnten und auf erste Studien verwiesen, wonach Geimpfte die Viruserkrankungen nicht mehr übertrügen und damit kein Ansteckungsrisiko darstellten. "Ich kann mir gut vorstellen, dass der Impfnachweis wie ein negativer Schnelltest genutzt werden kann", sagte er der Süddeutschen Zeitung. "Geimpfte erhalten Zugang zu all jenen Orten, die ansonsten nur mit einem Schnelltest zugänglich sind."
Laut dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz soll auch die Teststrategie bis "Anfang April" geändert werden: Das Schul- und Kita-Personal, alle Schülerinnen und Schülern und überhaupt alle Bürger sollen einmal in der Woche einen kostenlosen Schnelltest machen dürfen. Auch die Unternehmen sollen Beschäftigten, die vor Ort arbeiten, mindestens einen Schnelltest in der Woche anbieten. Darüber soll diese Woche noch mit der Wirtschaft gesprochen werden.