Lobbyisten-Liste des Bundestages:"Lobbyismus ist ein Werkzeug, keine Waffe"

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Karl Jurka ist Politikberater und freier Lobbyist - und fordert, Einflussnahme auf Gesetze transparent zu machen.

Interview von Jan Heidtmann

SZ: Lange Zeit haben sich die Fraktionen im Bundestag geweigert, die Liste der Firmen und Verbände preiszugeben, deren Vertreter im Bundestag ein- und ausgehen dürfen. Sie sind selber Lobbyist - woher kommt diese Heimlichtuerei?

Karl Jurka: Das ist mir auch ein Rätsel. Warum die Fraktionen im Bundestag damit Schwierigkeiten haben, verstehe ich nicht.

Die Lobbyisten, die nun öffentlich gemacht worden sind, verfügen alle über Hausausweise des Bundestages. Sie können also jederzeit in das Abgeordnetenhaus gehen. Auf der Liste stehen Firmen wie Facebook, aber auch EON oder ExxonMobil. Wozu brauchen die Hausausweise?

Das weiß ich auch nicht. Ich bin seit 25 Jahren im Geschäft und ich habe noch nie einen Hausausweis gebraucht. Ich kenne auch keinen Lobbyisten, der einen hat. Die meisten der Unternehmen und Verbände auf der Liste sind Staatsfirmen, Gewerkschaften, kirchliche Verbände, Parteiorganisationen. Den Fraktionen geht es vor allem darum, dass die eigenen Leute leichten Zutritt zu ihren Sitzungen haben.

Karl Jurka, 63, ist Politikberater und freier Lobbyist in Berlin. Er stammt aus Österreich und hat dort Wahlkämpfe der konservativen ÖVP organisiert. (Foto: privat)

Auf der Liste sind aber auch privatwirtschaftliche Unternehmen wie die Metro, die Linde AG oder Infineon verzeichnet. F ür die ist es sicher nicht verkehrt, auch Kontakte zu den Abgeordneten vor Ort zu pflegen - also Lobby-Ismus im eigentlichen Sinne. So könnten die Firmenvertreter beispielsweise frühzeitig erfahren, ob irgendein Gesetzesvorhaben die eigenen Geschäfte betrifft.

. . . und ein Lobbyist ist ein übergewichtiger Mann mit grauen Schläfen. Auch wenn das Klischee auf mich durchaus zutrifft - die Mehrheit der Interessenvertreter in Berlin ist weiblich. Als Lobbyist kann ich Ihnen außerdem sagen: Wenn Sie damit Geld verdienen wollen, gehen Sie nicht zu den Abgeordneten. Wenn Sie etwas bewegen wollen, müssen Sie bei den Ministerien vorsprechen. Bei den Referenten, die die Entwürfe für Gesetze schreiben. Denn achtzig Prozent der Gesetze, die in den Bundestag eingebracht werden, werden dort nicht mehr verändert.

Ganz so unbedeutend kann der Einfluss der Parlamentarier nicht sein. Sonst hätten die Fraktionen nicht so lange gemauert, bis sie die Namen preisgegeben haben. Die SPD und besonders die Union mussten per Gericht dazu gezwungen werden. Lobbyismus ist vielleicht schlicht ein etwas trübes Geschäft.

Das ist ein falscher Blick auf die Branche, das ist hier nicht wie in der US-Serie House of Cards. Natürlich gibt es auch hier schwarze Schafe, und die haben dazu beigetragen, unseren Ruf zu beschädigen. Aber Lobbyismus ist ein sehr weites Feld. Was ist mit den Unternehmensvertretern, den Botschaften, die knallhart Interessen der Firmen ihrer Länder vertreten? Oder den NGO's? Die sind auch Lobbyisten.

Sie als freier Lobbyist fühlen sich ungerecht behandelt?

Jedenfalls ist es doch so: Wenn eine Botschaft für eine Firma ihres Landes wirbt, dann heißt das Public Diplomacy. Wenn eine Partei für ihre Interessen eintritt, dann ist das wichtig für die Demokratie. Wenn wir als freie Lobbyisten aber unsere Arbeit machen, dann ist regelmäßig der Teufel los.

Sie sagen, Sie sind gegen Heimlichtuerei im Lobbyismus. Wie lässt sich die verhindern?

Der Prozess, wie Einfluss genommen wird, muss transparent sein. Deshalb fordert unser Branchenverband Degepol seit drei Jahren, dass es ein verpflichtendes Register für Lobbyisten geben soll. Außerdem muss bei neuen Gesetzen deutlich gemacht werden, wer an welcher Stelle darauf eingewirkt hat. Egal, ob es die Interessen eines Unternehmens oder die einer NGO sind.

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Und warum legt Ihr Verband die Lobbyisten dann nicht einfach offen?

Lobbyisten sind ja nicht nur Firmenvertreter. Auch Gewerkschafter, Leute von Foodwatch oder der Caritas betreiben Lobbyismus. Und wir haben gefordert, dass wenn wir das Register einrichten auch NGO's wie Greenpeace ihre Spender darin offenlegen müssen. Da weigern die sich aber bisher.

Dahinter steckt die Annahme, dass Lobbyismus für eine private Firma wie das Chemieunternehmen BASF genauso zu bewerten ist, wie für die Caritas. Aber ist es nicht etwas anderes, für rein kommerzielle Anliegen zu werben als für soziale?

Lobbyismus ist wie ein Werkzeug, wie ein Hammer. Damit kann man einen Nagel in die Wand schlagen, aber auch jemanden auf den Kopf schlagen. Lobbyismus ist erst einmal wertfrei.

Das klingt wie die US-Waffen-Lobby: nicht Pistolen, sondern Menschen töten.

Lobbyismus ist ein Werkzeug, keine Waffe.

© SZ vom 01.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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