Lobbyismus in der Politik:So verschaffen die Fraktionen Lobbyisten Zugang zum Bundestag

Lobbyismus in der Politik: Wer darf rein in den Bundestag? Und welche Partei unterstützt ihn dabei? Beim Lobbyismus liegt Vieles im Dunkeln.

Wer darf rein in den Bundestag? Und welche Partei unterstützt ihn dabei? Beim Lobbyismus liegt Vieles im Dunkeln.

(Foto: Paul Zinken/dpa)
  • Die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen können ihren Lieblingslobbyisten per Empfehlung fast unbegrenzten Zugang in den Bundestag ermöglichen.
  • Linke und Grüne haben offengelegt, wem sie dieses Privileg zukommen lassen. Union und SPD verweigern dazu die Auskunft.
  • Abgeordnetenwatch.de hat jetzt die Bundestagsverwaltung auf Herausgabe der Daten verklagt.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Christine Lambrecht von der SPD will sie nicht nennen. Ihr Unions-Kollege Michael Grosse-Brömer auch nicht. Und so werden die beiden ersten Parlamentarischen Geschäftsführer (PGF) ihrer Fraktionen die Namen jener Lobby-Organisationen weiter im Geheimen lassen, die auf ihren ausdrücklichen Wunsch Hausausweise für den Deutschen Bundestag bekommen haben.

Diese Hausausweise sind praktisch. Wer damit einmal eine Pforte des Bundestages passiert hat, kann sich im Bundestag und den über unterirdische Gänge angeschlossenen Gebäuden mit den Abgeordneten-Büros und Ausschuss-Sälen weitgehend frei bewegen. Der kann spontan mal den Abgeordneten X in der Schlange der Bundestagskantine abgreifen oder den Abgeordneten Y kurz vor einer wichtigen Ausschuss-Sitzung zufällig treffen und so persönlich auf Linie bringen: Mit Hausausweis kein Problem.

Ohne Ausweis müssen sich Personen einen Termin geben lassen und werden von einem Mitarbeiter an einem der Eingänge abgeholt. Aufwändig ist das. Vor allem für Lobbyisten lästig, die täglich in den Gebäuden des Bundestages zu tun haben.

Die Seite Abgeordnetenwatch.de hatte im vergangenen Jahr aufgedeckt, dass es einen bis dahin weitgehend unbekannten Weg gibt, an einen Hausausweis zu kommen: Die Unterschrift eines Parlamentarischen Geschäftsführers reicht. Dann stellt die Bundestagsverwaltung den Ausweis in der Regel anstandslos aus.

Abgeordnetenwatch.de wollte deshalb wissen, welche Lobby-Verbände auf Wunsch von welchen Fraktionen Hausausweise bekommen haben. Linke und Grüne haben die Listen offengelegt.

Wem Linke und Grüne Hausausweise beschafften

Petra Sitte, PGF der Linken, hat etwa Hausausweise für die Gewerkschaft "IG Bau, Agrar, Umwelt" befürwortet, das "Aktionsbündnis gegen AIDS" oder das "Forschungsforum öffentliche Sicherheit e.V.". Auf dem Ticket der Grünen können sich Vertreter des "WWF Deutschland", des "Bundesverbands der Solarwirtschaft" oder der "Deutschen Umwelthilfe" frei im Bundestag bewegen.

Union und SPD aber verweigern Abgeordnetenwatch.de bis heute diese Listen. Und auch die Bundestagsverwaltung will sie nicht rausrücken. Abgeordnetenwatch.de hat deshalb jetzt die Bundestagsverwaltung auf Herausgabe der Daten nach dem Informationsfreiheitsgesetz verklagt.

Lambrecht von der SPD begrüßte diese Klage auf Nachfrage an diesem Dienstag sogar: "Ich bin froh, dass die Klage läuft." Solange es aber kein rechtskräftiges Urteil gebe, werde sie keine Daten preisgeben. Das kann erfahrungsgemäß noch Jahre dauern.

Können Lobbyisten ganz im Dunkeln bleiben?

Lambrecht begründet ihre Verweigerungshaltung mit dem Datenschutz. Hausausweise sind an Personen gebundene Lichtbildausweise. Selbst wenn Sie nur die Namen der Organisationen nennen würde, könnten in manchen Fällen Rückschlüsse auf die einzelne Person gezogen werden.

Grosse-Brömer von der Union sieht das genauso. Jede Bürgerin und jeder Bürger könne einen Termin mit einem Abgeordneten im Bundestag wahrnehmen, "ohne namentlich erfasst zu werden", sagte er SZ.de. "Dieses Recht auf Vertraulichkeit muss auch jenen gewährt werden, die aufgrund anderer beruflicher Tätigkeiten im Besitz eines Hausausweises sind."

Rätselhafte Geheimniskrämerei

Grüne und Linke haben das Problem einfach gelöst: Sie haben den betroffenen Lobby-Vertretern mitgeteilt, sie würden den Umstand öffentlich machen, dass sie auf Wunsch der jeweiligen PGF in den Besitz eines Hausauweises gekommen sind. Und schon waren die datenschutzrechtlichen Bedenken passé.

Ganz nachvollziehbar ist die Geheimniskrämerei von Union und SPD nicht. Grundvoraussetzung für einen Hausausweis für Lobbyisten ist eigentlich, dass sich deren Verbände auf der Lobbyliste des Bundestages haben eintragen lassen. Das sind nach aktuellem Stand vom Dezember vergangenen Jahres 2221 Organisationen.

Potenziell kann jeder dort aufgeführte Vertreter einer Organisation einen Hausausweis beantragen. Deren Namen sind also schon öffentlich. Die von Union und SPD unbeantwortete Frage aber ist, wer davon auf ihren Wunsch freien Zugang zum Bundestag bekommt.

Allerdings legt ein Bericht von Abgeordnetenwatch.de nahe, dass Lobbyvertreter diese Liste mit dem Weg über die PGF umgehen können, ihre Namen also grundsätzlich im Dunkeln bleiben. Ob das so stimmt, ließ sich über die Pressestelle des Bundestages bislang nicht klären. Diese war in den vergangenen zwei Tagen nicht in der Lage, eine überschaubare Liste mit sieben Fragen nach den Regelungen für Hausausweise zu beantworten.

Für Britta Haßelmann, PGF der Grünen, gibt es guten und schlechten Lobbyismus. Was wohl auch vom politischen Standpunkt abhängt. "Das Wichtigste aber ist, das Lobbyismus transparent und nachvollziehbar ist." In der kommenden Woche will sie wie schon in der vergangenen Wahlperiode eine neue Initiative für ein verpflichtendes Lobbyregister starten.

Da müsste sie die SPD eigentlich an ihrer Seite haben. Ein Lobbyregister war auch Teil des SPD-Wahlprogramms von 2013.

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