Süddeutsche Zeitung

Lobbyismus:Experten sehen "starken Verdacht" auf Korruption im Europarat

  • Mehrere Mitglieder des Europarates sollen Bestechungsgelder aus Aserbaidschan angenommen und im Gegenzug das Land zwischen Südkaukasus und Kaspischem Meer politisch unterstützt haben.
  • Der Bericht einer unabhängigen Expertenkommission bestätigt, worüber die SZ schon vor Monaten berichtete.
  • Unter anderem stehen die CDU-Abgeordnete Karin Strenz und Ex-CSU-Parlamentarier Eduard Lintner im Fokus der Ermittler.

Externe Ermittler sehen starke Hinweise auf Korruption bei mehreren aktiven und ehemaligen Mitgliedern der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. So habe eine Gruppe innerhalb der Organisation für Aserbaidschan gearbeitet, heißt es im Bericht einer Untersuchungskommission, der am Sonntagabend veröffentlicht wurde. Im Gegenzug sei Geld aus dem autoritär geführten Land geflossen. Über die Zahlungen und den Korruptionsverdacht hatte die Süddeutsche Zeitung im Herbst zuerst berichtet. Im Fokus der Ermittler steht auch die deutsche CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz. Ihr werden in dem Papier Verstöße gegen Verhaltensregeln attestiert.

Der Europarat hat unter anderem die Aufgabe, über die Einhaltung der Menschenrechte in seinen 47 Mitgliedstaaten zu wachen. Der Organisation mit Sitz in Straßburg gehören alle EU-Staaten an, daneben aber auch Länder wie die Türkei, Russland oder Aserbaidschan. Die Parlamentarische Versammlung mit abgesandten Parlamentariern aus den Mitgliedsländern tagt mehrmals im Jahr und kann zum Beispiel Wahlbeobachter in die Mitgliedstaaten schicken.

In den vergangenen Jahren geriet die Versammlung jedoch immer stärker unter Korruptionsverdacht. Um die Aserbaidschan-Affäre aufzuklären, wurde im vergangenen Jahr eine Untersuchungskommission ins Leben gerufen, deren Bericht liegt nun vor: Es gebe den "starken Verdacht", dass sich mehrere gegenwärtige und frühere Mitglieder der Versammlung "korrupten Aktivitäten zugunsten Aserbaidschans" hingegeben hätten, stellen die Autoren fest. Erarbeitet wurde der Bericht von den beiden ehemaligen Richtern am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Nicolas Bratza und Elisabet Fura, sowie Jean-Louis Bruguière, einem der bekanntesten Untersuchungsrichter Frankreichs.

Vorwürfe gegen CDU-Politikerin Strenz

Zahlreiche Personen werden in dem knapp 200 Seiten langen Papier namentlich genannt, darunter auch die CDU-Frau Strenz, die mittlerweile der Parlamentarischen Versammlung nicht mehr angehört. Ihr wird vorgeworfen, Interessenkonflikte nicht offengelegt zu haben, bevor sie an Wahlbeobachtungsmissionen in Aserbaidschan teilgenommen habe. Strenz soll über Umwege Geld aus dem Land am Kaspischen Meer angenommen haben und fiel in ihrer Straßburger Zeit immer wieder als Unterstützerin Aserbaidschans auf.

Die Untersuchungskommission aus drei hochrangigen ehemaligen Richtern hält fest, dass die CDU-Politikerin sich geweigert habe, zu einer mündlichen Befragung zu erscheinen. Dem Papier zufolge gab sie zunächst an, krank zu sein. Auf erneute Anfrage antwortete sie, zu beschäftigt mit ihren Bundestagspflichten zu sein.

Der stellvertretende Vorsitzende der deutschen Delegation in Straßburg, Frank Schwabe (SPD), forderte Strenz auf, ihr Bundestagsmandat aufzugeben. Ihr Verhalten sei mit der Verpflichtung dieses Mandats nicht vereinbar, teilte er am Sonntagabend mit. Die Unionsfraktion müsse den Druck auf sie erhöhen und für Aufklärung sorgen. "Die Fraktion kann den Fall nicht weiter aussitzen", sagte Schwabe.

Ein weiterer Deutscher spielt bei den Ermittlungen eine zentrale Rolle. Der ehemalige Delegierte der Parlamentarischen Versammlung und Ex-CSU-Bundestagsabgeordnete Eduard Lintner sei früher einer der wichtigsten Aserbaidschan-Lobbyisten gewesen. Er war dem Bericht zufolge Aserbaidschans "Schlüssel-Lobbyist". Zwischen 2012 und 2014 erhielt er demnach insgesamt 819 500 Euro aus Baku - abgewickelt wurden die Transaktionen über drei Briefkastenfirmen mit Sitz in Großbritannien. Mit einer eigenen Firma habe er häufig für Aserbaidschan gearbeitet und Geld aus dem Land bekommen. In diesem Unternehmen habe er auch Karin Strenz beschäftigt.

Die Vorwürfe in dem Bericht reichen bis in höchste Ränge der Parlamentarischen Versammlung: Auch der ehemalige Präsident der Parlamentarischen Versammlung, Pedro Agramunt, steht am Pranger. Es gebe starke Verdachtsmomente dafür, dass der Spanier an korrupten Handlungen beteiligt gewesen sei. Agramunt war im Oktober als Präsident zurückgetreten. Ihm drohte nach einem umstrittenen Auftritt mit Syriens Machthaber Baschar al-Assad die Abwahl.

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