Lobby-Affäre im US-Kongress:Geld, Gewalt, Gefälligkeiten

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Washington wird von einem Korruptionsskandal erschüttert, der fast die gesamte Führung der Republikaner in Nöte stürzt.

Reymer Klüver

Washington - "Schuldig, Euer Ehren", bekannte unlängst der braun gebrannte junge Mann mit einem selbstsicheren, fast süffisanten Lächeln der Richterin. Schuldig in allen Punkten. Schuldig der Bestechung von Regierungsbeamten und mindestens eines Abgeordneten des Repräsentantenhauses.

Mit 57.000 Dollar steht er auf der Liste des angeklagten Lobbyisten Jack Abramoff: Tom DeLay (links), früher Geschäftsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, musste Ende September zurück treten. (Foto: Foto: AP)

Schuldig des Betrugs in zweistelliger Millionenhöhe an Kunden seiner Firma. Und schuldig wohl einer besonders aggressiven Variante des Lobbyismus, welche fast die gesamte Führungselite der regierenden Republikaner in Washington in arge Nöte stürzen dürfte. Als hätten sie davon dieser Tage nicht bereits genug.

Der Pionier des Präsidenten

Wegen Lobbyismus wird Michael Scanlon wohl nicht belangt werden, andere werden den Preis dafür zahlen müssen. Wegen der beiden ersten Punkte aber drohen dem 35 Jahre alten PR-Berater fünf Jahre Haft und Entschädigungszahlungen von fast 20 Millionen Dollar.

Und doch verließ er zu Wochenbeginn auffallend gelassen den Washingtoner Gerichtssaal, in dem er sein Schuldbekenntnis ablegte. Denn er wird Kronzeuge sein, Kronzeuge in dem wohl bemerkenswertesten politischen Korruptionsskandal in Washington seit mehr als einem Jahrzehnt. Und als Kronzeuge kann Scanlon mit einem großzügigen Strafnachlass rechnen.

Es geht um viel, viel Geld, eine Reihe von Gefälligkeiten und sogar um ein Gewaltverbrechen. Scanlon spielt darin eher eine Nebenrolle. Keine ganz unwichtige zwar, er weiß viel, das macht ihn interessant für die Strafverfolger.

Aber im Mittelpunkt der Affäre steht ein anderer: sein früherer Partner Jack Abramoff. Der galt lange als die Inkarnation des erfolgreichen Washingtoner Lobbyisten, war einer der so genannten "Pioniere" des Präsidenten, die 2004 Spenden von mehr als 100.000 Dollar für die Wiederwahl von George W. Bush sammelten.

Er war einer, der in der von den Republikanern dominierten amerikanischen Hauptstadt Geschäft und Politik auf vorteilhafteste Weise miteinander zu verquicken verstand. Er kannte die Mächtigen, war mit ihnen auf Du und Du. Heute ist auch er als Betrüger angeklagt und nur gegen Kaution auf freiem Fuß.

Das ganz große Rad

Abramoff hat dabei stets das ganz große Rad gedreht. Er forderte von seinen Kunden reihenweise Schecks mit Hunderttausenden von Dollar an, die er an politische Freunde verteilte, und kassierte selbst Millionen.

Es sind vor allem drei Fälle, die das politische Washington erschüttern. Drei Fälle, die sich alle um Gambling drehen, das gewerbsmäßige Glücksspiel. Der erste handelt vom Kampf gegen das Verbot von Glücksspiel im Internet.

Im Auftrag der Internet-Firma eLottery, die es inzwischen nicht mehr gibt, versuchte Abramoff das Verbot im Sommer 2000 zu verhindern - mit Erfolg. Zwei Millionen Dollar machte eLottery für die Kampagne locker. Abramoff selbst erhielt monatlich 100.000, und er leitete Schecks der Firma an Aktivisten für das Glücksspielverbot weiter, unter anderem an die Traditional Values Coalition, eine unter Republikanern hoch einflussreiche Organisation evangelikaler Christen.

Er finanzierte einen Golf-Trip nach Schottland für den damaligen politischen Geschäftsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, Tom DeLay, und dessen stellvertretenden Büroleiter - vor der Abstimmung über das Verbot.

DeLay galt als ausgesprochener Gegner des Glücksspiels, sprach sich dann aber überraschend gegen das Verbot aus. Seine Anwälte sagen heute, seine damaligen Entscheidungen hätten damals allein auf "wohlüberlegten politischen Entscheidungen sowie auf Prinzipien" beruht.

Florida-Connection

Den zweiten Fall könnte man als Florida-Connection bezeichnen. Ebenfalls im Jahr 2000 stieg Abramoff selbst ins Glücksspielgeschäft ein. Sein damaliger Geschäftspartner ist inzwischen tot - ermordet, Abramoff ist wegen Betrugs angeklagt.

Er soll sich mit falschen Angaben einen Kredit in zweistelliger Millionenhöhe erschlichen haben, um die SunCruz Casino Line zu kaufen, Schiffe, auf denen in internationalen Gewässern vor Floridas Küste Glücksspiele angeboten wurden, ein lukratives Geschäft.

Nur hatte der damalige Inhaber Konstantinos Boulis Schwierigkeiten, weil er als Grieche in den USA nicht als Reeder auftreten durfte. Er musste verkaufen. Als die Verhandlungen sich hinzogen, fiel im Kongress der Abgeordnete Bob Ney, ein Republikaner aus Ohio, auf, der angeblich illegale Praktiken von SunCruz scharf geißelte.

Das saß. Boulis verkaufte. Was er nicht wusste, war der Umstand, dass Michael Scanlon, der Partner Abramoffs, Ney den Text für seine Rede formuliert hatte. Ney sagt heute, er sei damals reingelegt worden. Andere sagen, es sei im amerikanischen Kongress durchaus üblich, dass Lobbyisten Reden für Abgeordnete schreiben.

Ob üblich oder nicht: Auch Tom Delays Büroleiter hatte damals seinen Vorteil von der Geschichte. Er flog mit einem Firmenjet von SunCruz zu einem Golfturnier nach Kalifornien. DeLay selbst, der Abramoff damals seinen "liebsten Freund" nannte, ließ Boulis eine amerikanische Fahne senden, die eine Zeitlang über dem Kongress geweht hatte.

Boulis wurde im Jahr darauf in Fort Lauderdale auf offener Straße erschossen. Drei Männer aus dem Mafia-Milieu sitzen mittlerweile deswegen in Haft. Alle haben Verbindungen zu einem engen Partner Abramoffs in dem Deal.

Im Dienste der Indianer

Schließlich gibt es noch die Indianer-Connection. Abramoff hatte sich im Glücksspiel-Geschäft einen Namen gemacht. Und so kam es nicht von ungefähr, dass sich Indianer-Stämme, die in den USA offiziell die Lizenz für Glücksspiele erhalten können, seiner Dienste versicherten.

Auch hier mit Erfolg. Abramoff sorgte dafür, dass das Washingtoner Innen-Ministerium dem Jena-Stamm Choctaw-Indianer in Louisiana die Lizenz nicht erteilte. Abramoffs Auftraggeber waren Stämme im benachbarten Texas, die wegen der drohenden Konkurrenz um ihre Einkünfte fürchteten.

Der Ministeriums-Entscheidung war eine Briefflut von 33 Abgeordneten und Senatoren vorausgegangen, die sich alle gegen die Lizenzvergabe stark machten. Die Kongressabgeordneten hatten über Abramoff Spendenzahlungen von zusammen mehr als 450.000 Dollar erhalten, die Senatoren fast 390.000 Dollar. Am meisten erhielt mit mehr als 100.000 Dollar der Sprecher der Repräsentantenhauses, der Republikaner Dennis Hastert.

Aber auch Tom DeLay steht mit 57.000 Dollar auf der Empfängerliste. Die meisten Nutznießer sind Republikaner, allerdings der Minderheitsführer der Demokraten im Senat, Harry Reid, war mit immerhin 67.000 Dollar ebenfalls dabei.

Die Bürgerrechtsorganisation Democracy 21 hat unterdessen die so genannten Ethik-Ausschüsse von Repräsentantenhaus und Senat aufgefordert, die längst überfällige Untersuchung der Vorgänge einzuleiten. Ansonsten verleugneten sie ihre "Verantwortung gegenüber dem amerikanischen Volk". Vielleicht wird ja Michael Scanlon, der Kronzeuge, ein wenig nachhelfen können.

© SZ vom 24.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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