Großbritannien:Tories revoltieren offen gegen Truss

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Die britische Premierministerin ist keine sechs Wochen im Amt, kämpft aber schon gegen ihre Absetzung. Parteikollegen fordern ein Misstrauensvotum. (Foto: POOL/REUTERS)

Die Tories revoltieren inzwischen offen und fordern ein Misstrauensvotum: Für die angeschlagene britische Premierministerin beginnt eine Woche der Entscheidung, ob sie im Amt bleibt oder nicht.

Von Claudia Koestler

Weniger als sechs Wochen im Amt als Premierministerin Großbritanniens haben ausgereicht, dass Liz Truss um ihr politisches Überleben kämpfen muss: Einem Zeitungsbericht zufolge muss sie sich möglicherweise noch in dieser Woche einem Misstrauensvotum stellen. Mehr als 100 Abgeordnete der regierenden Konservativen Partei ("Tories") seien bereit, Truss zu stürzen, berichtet das Blatt Daily Mail unter Berufung auf informierte Kreise. Truss ist nach den derzeitigen Regeln der Konservativen zwar durch eine einjährige Immunitätsklausel geschützt. Doch die Tories befinden sich derzeit in offener Revolte, und so haben am Sonntagabend drei Abgeordnete der Partei öffentlich ihren Rücktritt gefordert. Mehrere andere wiederum erklärten, sie würden an Graham Brady, den Vorsitzenden des Hinterbänklerausschusses ( 1922 Committee), schreiben und ihn auffordern, die Parteiregeln zu ändern, damit ein Misstrauensvotum gegen die Premierministerin stattfinden kann. Truss hat "Großbritanniens Glaubwürdigkeit als vertrauenswürdige, verantwortungsbewusste und führende Wirtschaftsmacht untergraben und unsere Partei in einer möglicherweise irreparablen Weise gespalten", erklärt der Tory-Abgeordnete Jamie Wallis in seinem Schreiben an die Premierministerin, in dem er ihren Rücktritt fordert. "Sie haben nicht länger das Vertrauen des Landes oder der Fraktion."

Die Stimmen gegen Truss in der eigenen Partei mehren sich auch deshalb, weil die Tories in Umfragen auf Rekordniveau hinter die Labour-Partei abgerutscht sind und ein Wahldebakel droht. Die Anhänger von Rishi Sunak, der bei der jüngsten Wahl um die Tory-Führung hinter Truss den zweiten Platz belegte, verstärkten am Wochenende ihre Bemühungen, Unterstützung für seine Einsetzung zu gewinnen.

Hunt hat einen radikal anderen finanzpolitischen Ansatz skizziert

Es wird allerdings erwartet, dass sich Graham Brady dem Aufruf zur Regeländerung widersetzen und argumentieren werde, dass Truss und der neu ernannte Finanzminister Jeremy Hunt eine Chance verdienten. Hunt hatte bereits am Wochenende einen radikal anderen finanzpolitischen Ansatz skizziert - die Steuern müssten erhöht und die Ausgaben gekürzt werden. Das Pfund Sterling hatte zuvor am Freitagnachmittag nach einer wenig überzeugenden Pressekonferenz von Truss erneut drastisch an Wert verloren. Am Montag stieg es indes im frühen asiatischen Handel wieder, wahrscheinlich, weil Anleger darauf spekulierten, dass ein größerer Teil von Truss' Ankündigungen rückgängig gemacht werden könnte. Truss wird am Montagabend einen Empfang für das Kabinett in der Downing Street 10 geben für die Ausarbeitung eines mittelfristigen Finanzplans, so ein mit der Angelegenheit vertrauter Beamter.

Nach Ansicht eines hochrangigen konservativen Mitarbeiters, der anonym bleiben wollte, könnte Truss allerdings auch noch Wochen oder Monate weitermachen, während ihr politisches Programm umgestoßen wird und Hunt effektiv das Sagen hat. Den Finanzplan will Hunt am 31. Oktober bekannt geben. Bleibt abzuwarten, ob Truss überhaupt bis Halloween im Amt sein wird. Ihr Schicksal liegt nun in den Händen der Finanzmärkte und ihrer eigenen Hinterbänkler.

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